Kann ich Gerhard Schröder umtauschen?

Gestern war ich auf der Homepage der SPD. Man muss sich ja informieren, bevor man im September seine Stimme abgibt und erst in vier Jahren wiederbekommt. Die Sozialdemokraten gehen mit gutem Beispiel voran, denn der interessierte Besucher kann diese Garantiekarte herunterladen:

Bewahren Sie diese Karte auf, und Sie werden sehen, daß wir halten, was wir versprechen:

  1. MEHR ARBEITSPLäTZE durch eine konzertierte Aktion für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit. Arbeitslosigkeit kann man bekämpfen.
  2. EIN SOFORTPROGRAMM. 100.000 Arbeitsplätze für Jugendliche und mehr Lehrstellen durch eine Ausbildungsoffensive 99.
  3. AUFBAU OST WIRD ZUR CHEFSACHE und mit einem gebündelten Zukunftsprogramm vorangetrieben.
  4. DEUTSCHLAND ALS IDEENFABRIK durch Verdopplung der Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenschaft in 5 Jahren.
  5. BEKÄMPFUNG DER KRIMINALITÄT und ihrer Ursachen, Verhinderung der Geldwäsche, Einzug illegaler Vermögen, Verhinderung illegaler Bekämpfung.
  6. NEUER AUFBRUCH FÜR DIE FRAUENPOLITIK durch Arbeitsprogramm »Frau und Beruf« und eine eigenständige Alterssicherung.
  7. MEHR STEUERGERECHTIGKEIT durch Entlastung von Familien (mit zwei Kindern) um 2.500,– DM pro Jahr und mehr Kindergeld.
  8. BEZAHLBARE GESUNDHEIT durch Entlastung chronisch Kranker bei der Zuzahlung. Jugendliche erhalten wieder Zahnersatzleistungen.
  9. MEHR SOZIALE GERECHTIGKEIT. Kohls Fehler korrigieren bei Renten, Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Nachdem ich mir die Garantiekarte durchgelesen hatte, blieben jedoch noch so viele Fragen übrig, dass ich gleich eine E-Mail an Oskar und Gerhard schrieb, die ich dem geneigten Leser des Sudelbuchs natürlich nicht vorenthalten möchte.

To: <gerhard.schroeder@spd.de>, <oskar.lafontaine@spd.de>
Subject: Ihre Garantiekarte

–text follows this line–

Sehr geehrter Herr Lafontaine, sehr geehrter Herr Schröder,

auf der Homepage der SPD habe ich unter Ihrem Foto, Herr Schröder, eine
Garantiekarte gefunden. Ich bin sehr erfreut darüber, dass in der
Politik nun endlich auch die bewährten Gepflogenheiten des ehrlichen
kaufmännischen Gebarens Einzug halten.

Leider lässt Ihre Garantiekarte noch einige Fragen offen.

Ich habe nämlich gerade einmal Ihre Garantiekarte mit dem Garantieschein
meiner Miele Waschmaschine verglichen und musste deutliche Unterschiede
feststellen.

1.  Üblicherweise wird eine Garantie nur für eine bestimmte Frist
    gewährt. Da Sie in Ihrer Karte keinen Zeitraum nennen, gehe ich
    davon aus, daß sich Ihre Garantie lediglich auf die gesetzlich
    vorgeschriebene Frist von sechs Monaten bezieht. Das halte ich
    angesichts einer vierjährigen Legislaturperiode für zu kurz. Die
    Erfahrungen mit der jetzigen Bundesregierung zeigen, dass frühestens
    ein Jahr vor der Wahl mit dem Regieren begonnen wird.
2.  Eine ordentliche Garantiekarte enthält Angaben über den Umfang der
    Garantie. Darüber schweigen Sie sich aus. Welche Gewährleistung kann
    ich denn als Wähler erwarten? Kann ich Sie, lieber Herr Schröder, im
    Falle eines Falles umtauschen? Und wenn ja, gegen wen? Bekomme ich
    gleichwertigen Ersatz? Oder gibt es sogar eine
    Wählerstimme-zurück-Garantie, wenn Sie nicht halten, was Sie
    versprechen?
3.  Die Garantie für meine Waschmaschine enthält auch Bestimmungen
    darüber, unter welchen Bedingungen eine Gewährleistung
    ausgeschlossen ist: z. B. bei unsachgemäßer Handhabung des Geräts
    oder durch äußere Einwirkung, z. B. Transportschäden,
    Wettereinwirkungen u.ä.

Auch darüber finde ich nichts in Ihrer Garantie. Was soll ich davon
halten? Hinterher sagen Sie, die Fehler Ihrer Regierung seien durch
höhere Gewalt, z. B. durch eine Koalition mit den Grünen oder die
Rezession in Japan oder eine Gemeinheit aus Brüssel entstanden. Und dann
stehe ich da.

4.  Wo ist der Erfüllungsort Ihrer Garantie? In Bonn oder in Berlin?
    Oder in Hannover? Das ist eine wichtige Frage. Bei vielen
    ausländischen Produkten, die nie richtig funktionieren, ist der
    Erfüllungsort z. B. Redmond oder Schanghai oder Kuala Lumpur. Ich
    hoffe doch sehr, daß die SPD nicht eine Briefkastenfirma mit Sitz in
    der Karibik ist.

Es würde mir die Wahl wesentlich erleichtern, wenn Sie die offenen
Garantiefragen vor dem 27. September klären würden.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Ulrich Hasecke

Apropos Garantie: Nach einer Woche bekomme ich endlich Post von eplus. Der Leser erinnert sich vielleicht noch an das leidige Thema mit dem Spezialcode. Eplus schreibt nun:

Sehr geehrter Herr Hasecke,

den Gerätecode für Ihr Handy können wir Ihnen leider nicht errechnen. Es
besteht aber die Möglichkeit, das (!) Sie sich direkt an den
Gerätehersteller wenden. Die Motorola-Hotline können Sie unter der
Telefonnummer 0 18 03 – 50 50 erreichen.

Es wäre schön, wenn die Angelegenheit zu Ihrer Zufriedenheit gelöst
werden konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr E-PLUS Service Team

Was lernen wir daraus? Erstens wird es für einige Menschen auch nach der Rechtschreibreform nicht einfacher, und zweitens: Service ist, wenn man auch nach einer Woche immer noch in der Hotline von Motorola herumhängt. – Solingen 13. Juli 1998