Ostochtersumer Gedichte
Vor vielen Jahren war ich mit einigen Freunden über Silvester in Ostochtersum in Ostfriesland. Wie der Name vermuten lässt, gibt es dort oben auch ein Westochtersum. Ostochtersum liegt im Osten. Westochtersum im Westen. Beide zusammen im Norden. Ob es, wie es sich gehört, zwischen diesen beiden Dörfern eine Art Erbfeindschaft gibt, war in den wenigen verschneiten und bitterkalten Tagen nicht zu eruieren. Alles, was wir von den Einheimischen erfahren konnten, war der auf einer Silvesterfeier ausgesprochene Satz: »De Ostochtersumer de möjt söjpen«
Dialektunerfahrenen Lesern sei gesagt, dass dieser Kernsatz der Ostochtersumer Lebensphilosophie so viel bedeutet wie: Der Ostochtersumer frönt in seiner freien Zeit, mit der er hier oben reichlich gesegnet ist, dem Alkoholmissbrauch. Wir Städter wollten dagegen nüchtern und von romantischen Gefühlen durchdrungen die raue Natur erleben. Mit einem Freund, der wie ich ein begeisterter Hobbyfotograf war, setzte ich mit der Fähre in diesigem Schneetreiben nach Norderney über, wo wir unsere Kameras einem Härtetest unterzogen. Es sei verraten, dass meine Nikon FM2 diesen Test mit Bravour bestanden hat. Es sei weiterhin verraten, dass es im Winter bei Schneetreiben auf den ostfriesischen Inseln nur wenige lohnende Fotomotive gibt. Falls es interessiert, werde ich vielleicht demnächst ein paar Schnappschüsse aus diesem Urlaub hier im Sudelbuch veröffentlichen. Wieso ich mitten im Sommer über das winterliche Ostochtersum schreibe, hat einen ganz bestimmten Grund. In den nächsten Tagen werde ich offline sein, da ich am Bodensee beim Fest der Netzliteraten weilen werde. Deshalb muss ich einige Sudeleien im Voraus schreiben. Was das nun wieder mit Ostochtersum zu tun hat, ist schnell erklärt. Nach unserem Besuch auf Norderney beschlossen wir, die Lebensphilosophie der Ostochtersumer praktisch anzuwenden und betranken uns die nächsten Tage. In diesem inspirierten Zustand sind mir drei Gedichte gelungen, die ich nun hier, genauer gesagt morgen, übermorgen und am Montag zum Besten geben möchte. Wer, wie ich, Gedichte eigentlich nicht sonderlich mag, muss sich leider bis zum 4. August gedulden, dann gibt es wieder eine richtige Sudelei. – Solingen 31. Juli 1998