Monica Lewinsky und Oral Sex
Ich sitze immer noch an der Überarbeitung des GenerationenProjekts und muss sagen: das Internet ist eine anspruchsvolle Geliebte. Ganz anders als Monica Lewinsky, wenn man dem Starr-Report glauben darf. – So, jetzt sind wir unter uns. Fangen wir also nochmal ernsthaft an:
Über Furien und Gebärmutterprothesen
Das Internet ist eine anspruchsvolle Geliebte, die uns zu Viagra gestützten Höchstleistungen treibt. Da hat man mal ein Projekt im Netz etabliert, das von verschiedenen Seiten positiv aufgenommen wird, und kaum ist ein halbes Jahr vergangen, möchte man vor lauter Überdruss noch nicht einmal selbst auf die eigenen Seiten surfen.
Da hilft nur eins: der Relaunch muss her. Andere machen es auch so, wahlkampf98.de hat sowas alle vier Wochen gemacht. Aber das ist leichter gesagt, als getan.
Während ein Schriftsteller nach der Korrektur der letzten Druckfahne mit dem Werk endgültig abschließt, drei Kreuze macht und sich wie neu geboren fühlt, gibt es für uns Netz-Autoren kein Entkommen aus dem Hamsterlaufrad der Kreativität. Das Musengeschenk, ein Online-Projekt kontinuierlich verändern zu können, verwandelt sich, sobald wir es berühren, in eine wilde Schar Furien, die uns wie den armen Orestes verfolgen, bis wir nach Jahren des gehetzten Fliehens endlich vom Areopag freigesprochen werden. Ob das vollendete Online-Projekt dann aber so dauerhaft ist wie das taurische Artemisstandbild, mögen die Juroren des Pegasus’01 beurteilen.
Es ist ja eine altbekannte Vorstellung, dass die Vollendung eines Romans so etwas sei wie die männliche Variante einer Geburt: Kunst also so eine Art sublimierte Gebärmutterprothese. Diese Vorstellung konnten natürlich nur Männer entwickeln, die nie in die Verlegenheit kamen, Kindern aus Fleisch und Blut die Notwendigkeit des täglichen Zähneputzens zu erklären. Denn mit der Geburt fängt ja der ganze Ärger erst an.
So gesehen ist das Internet als Spiegel der Welt vielleicht eine Folge der Emanzipation. Jetzt, wo die Männer nicht nur bei der Geburt im Kreißsaal dabei sind, sondern auch beim Windelnwechseln und Popoabputzen ihren Mann stehen, haben sie erkannt, dass der von ihnen so beneidete Akt der Schöpfung nie zu Ende und ziemlich anstrengend und prosaisch ist. Aus dieser Erkenntnis ist das Internet erwachsen. Die Zeugung eines Webprojekts macht richtig Spaß, die Geburt ist ein faszinierender Augenblick, doch dann fängt die eigentliche, mühselige, endlose Knochenarbeit erst so richtig an.
– Noch 15 Tage… – Solingen 12. September 1998