Liebe Leserinnen und Leser,
als letztens jemand die Sudeleien von einem dieser anonymen Maildienste wie GMX oder Hotmail aus bestellte und dabei irgendeinen Phantasienamen wie Schlumpf oder Butterblume statt eines menschlichen Namens eintrug, schickte ich ihm statt einer Sudelei zunächst einmal eine Mail und fragte, wer er denn sei, ich würde ungern meine Sudeleien, wenn sie auch noch so hingesudelt seien, an anonyme Abonnenten schicken.
Der so Angeschriebene reagierte überrascht: »Oh, ich dachte, das wäre ein automatischer Mailverteiler. Aber da steckt ja wirklich ein Mensch dahinter.« Und erfreut, nicht mit einer Maschine zu kommunizieren, teilte er mir seinen Namen mit, und ich nahm ihn in den Mailverteiler auf.
Weshalb erwähne ich diesen Vorfall, der doch nur zeigt, dass ich aus Mangel an technischer Kenntnis den Mailverteiler des Sudelbuchs noch mit der Hand verwalte. Der Grund ist ein philosophischer. In der Mailingliste Netzliteratur kam es vor kurzem zu einer Diskussion darüber, ob im Internet der Autor oder der Leser verschwindet oder einer im anderen aufgeht oder beide ins Eins fallen. Dieser Frage ist natürlich nur mit einer an Hegel geschulten Dialektik beizukommen. Da ich der Lösung dieses germanistischen Knotens nicht vorgreifen will, möchte ich zunächst einmal propädeutisch feststellen, dass ich nicht verschwunden und auch nicht aufgegangen bin, weder als Mensch noch als Autor noch als Leser. Vielmehr erfreue ich mich als Autor und Leser bester Gesundheit, was ich von mir als Mensch im Moment nicht sagen kann. Für einige Leser der Sudeleien kann ich ähnliches behaupten: Sie schreiben mir ab und zu, um mir mitzuteilen, dass sie als Leser noch ein Dasein besitzen und dass meine Sudeleien nicht von einem Mailrobot gelesen werden, sondern von einem Menschen oder einem Autor, was nicht ein und dasselbe ist. Aber wie dem auch sei. Ich möchte für all diese Briefe einmal dreifach Danke sagen. Sie erfreuen den Leser, den Autor und den Menschen. – Solingen 1. Dezember 1998
P.S. Die Sudeleien sind definitiv nicht in der Lage die Gesundheit des Menschen zu verbessern. Ob sie die Gesundheit der Leser heben, weiß ich nicht. Ob sie der Gesundheit des Autors förderlich sind, mögen die Leser entscheiden.