Wetten, dass…?
Während unser griesgrämiger National-Dauerläufer und Außenminister in Frankreich zusammen mit der amerikanischen Fregatte Albright den unappetitlichen Serben und Albanern – wie erwartet – eine Fristverlängerung einräumte, saß der immer gut gelaunte Entertainer Gerhard, nebenberuflich auf 620 Mark-Basis auch Bundeskanzler, bei Tommi und seinen Haribo-Gummibärchen auf der Couch und präsentierte sich 18 Millionen potentiellen Wählern von seiner besten Seite.
Ich selbst habe mir ›Wetten, dass…‹ nicht angetan, obwohl mit Veronica Ferres die Tochter von Kartoffel-Ferres vom Ohligser Wochenmarkt dort auftrat. Aber warum soll ich mir das Superweib im Fernsehen anschauen? Schließlich hilft sie auf dem Wochenmarkt ja immer mal wieder aus.
Bodenständigkeit ist eben angesagt. Und so durfte die unvermeidliche ältere Dame, die wir, wie wir gelernt haben, immer hilfsbereit über die Straße zu geleiten haben, um Bundeskanzler zu werden, bei dem Spektakel natürlich nicht fehlen. Und sie war auch von den PR-Strategen rechtzeitig organisiert worden, so dass es Gerhard erspart blieb, nach seiner verlorenen Wette, sich die Haare von einem L’Oreal-Experten auf künstliche Farbpigmente untersuchen lassen zu müssen.
Der Auftritt des Medienkanzlers war also ein voller Erfolg, wie selbst die WELT zähneknirschend eingestehen muss. Einzig und allein die satirische Fraktion fragt sich, worüber sie eigentlich noch lästern soll. Welche Pfeile treffen noch? Denn schließlich hat Schröder nichts anderes gemacht, als was sich 18 Millionen Fernsehzuschauer insgeheim wünschen: einmal Kandidat im Fernsehen zu sein. Und Kandidatenerfahrung hat Schröder ja reichlich. Warum sollte man auch Bundeskanzler werden wollen, wenn nicht, um sich all seine geheimen Wünsche endlich erfüllen zu können. Und ist es nicht besser, einen netten Kanzler zum Anfassen zu haben, der an solch harmlosen Späßchen wie denen von Gottschalk und Co. seine Freude hat, als einen, der sich heimlich im Kanzleramt von Praktikantinnen anfassen lässt und ihnen den Unterschied zwischen einer Havanna und einem Zigarillo erklärt.
Der Kandidat Schröder verlor seine Wette und musste dann eben jene ältere Dame in seinem Dienstwagen auf Steuerzahlerkosten nach Hause kutschieren. Der Dienstwagen, eine große Audi-Limousine wurde dann auch werbegerecht ins Studio gefahren. Und ich frage mich, wie viel der Kanzler und Thomas Gottschalk für diese Schleichwerbung wohl erhalten haben. Denn Schröders Fahrer stellte sich beim Rangieren dermaßen dämlich an, dass die Limousine länger im Bild zu sehen war als Stargast Whitney Houston.
Die ältere Dame nutzte dann jedoch forsch die Gelegenheit und soll gesagt haben: »Ach, wenn wir hier schon so schön zusammen sind, sollen wir da nicht was essen gehen?«. Also ging man zum Italiener: die ältere Dame mit Familie und Schröder mit Bodyguards und persönlichen Referenten. Worüber man sich bei Tisch unterhielt, weiß ich nicht. Aber es gibt ein ganz unscharfes Foto, auf dem Gerhard Schröder, na was wohl, – lacht.
Gerhard Schröder ist auf dem besten Wege Unsterblichkeit zu erlangen, alles, was ihm noch fehlt, sind Erfolge in der Politik, dann wird ihn das deutsche Fernsehpublikum mindestens 16 Jahre lange wiederwählen. Und die Chancen, dass diese Erfolge sich einstellen, stehen gar nicht mal schlecht, solange Gerhard Schröder in Fernsehshows auftritt.
Wie gesagt, die Satire hat’s schwer und mir bleibt daher nur noch übrig, allen Veronikas, ob mit c aus Solingen oder mit k aus Weimar, der Kulturhauptstadt Europas, für heute, es ist ja noch früh, einen schönen Tag zu wünschen. Und nun gehe ich mir eine ältere Dame suchen! – Solingen 21. Februar 1999