Misstrauen, dein Name ist Weib!
Frauen sind misstrauisch, das liegt in ihrer Natur, seit sie sich von der Schlange so haben übers Ohr hauen lassen. Grüne Frauen sind besonders misstrauisch, selbst wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht, denken sie nicht daran, sich an einem Strohhalm festzuhalten, der ihnen von einem Mann hingehalten wird. Lieber untergehen, als einem Mann ins Netz.
Seit Joschka Fischer die Abschaffung der Doppelspitze fordert, bricht bei grünen Frauen das alte Trauma aus WG-Zeiten wieder auf: die Männer politisieren und die Frauen machen den Abwasch. Hinter Joschkas Forderung, so argwöhnen sie, kann sich nur männliche Machtgeilheit verstecken, ein Dolchstoß gegen die Quote, eine infame Defemination der Politik. Aus mir unerfindlichen Gründen scheint keine grüne Frau auf die Idee gekommen zu sein, dass der von Joschka Fischer geforderte Parteivorsitzende ja auch eine Frau sein könnte, womit die Quote wie jetzt auch um 100% übererfüllt wäre. Aber scheinbar traut sich keine Frau diesen Job zu und so lehnen sie ihn gemeinsam und solidarisch ab. Nun ist es aber auch von Joschka Fischer nicht besonders nett gewesen, den Grünen aus dem Flugzeug aus zuzurufen: »Ihr braucht einen Vorsitzenden. Aber ich stehe nicht zur Verfügung.« Das gehört sich nicht. Man stelle sich einmal vor, ein Mann liegt inmitten einer großen Blutlache stöhnend am Boden, ein anderer Mann beugt sich über ihn und sagt: »He, Sie! Sie brauchen einen Arzt. Aber rechnen sie nicht mit mir! Ich bin Frauenarzt!«
Fischer spielt die Diva. Die Frauen wollen ihren Mann an der Spitze der Partei nicht alleine stehen. Die Basis verschläft den Mantel der Geschichte. Und kein Mann will als erster den Weiberhügel erstürmen, aus Angst dort oben ganz allein, fern der Heimat und vor der Zeit zu fallen.
Aber nicht jeder Kampf muss unbedingt ausgetragen werden, denn dann ist die Spannung weg und so mancher liegt mit amputierten Gliedern im Lazarett. Die Grünen sind sowieso Anhänger der natürlichen Evolution, sie verändern sich so stetig und langsam, dass es nur der bemerkt, der darin geübt ist, durch buddhistische Meditation das Gras wachsen zu hören. So hat auch kaum einer der Journalisten bemerkt, dass der Parteitag in Erfurt Fischers Kosovo-Kurs unterstützt, der immerhin einen Kampfeinsatz der Bundeswehr ohne UN-Mandat vorsehen könnte. Vor einem Jahr undenkbar!
Die Hoffnung ist noch nicht dahin, die Strukturreform hat längst begonnen, und in einem Jahr traut sich auch wieder eine Frau ans Ruder der Partei; vielleicht sogar eine neue Petra Kelly, die keine Quote brauchte, um Führungsfigur zu sein. Vielleicht wäre damit den grünen Frauen geholfen, sie kommen über ihre Androphobie hinweg und treten der Schlange ihrer Minderwertigkeitkomplexe mutig auf den Kopf. Und die Männer dürfen dann auch wieder politisieren – wenn sie den Abwasch gemacht haben. – Solingen 7. März 1999