Macht Opposition dumm?
Es ist wieder Wahlkampf und die Unterhaltungssendungen im Fernsehen nehmen zu. Man muss zwar schon eine ganz bestimmte Art von Humor haben, um die Wahlwerbespots im Fernsehen goutieren zu können, aber besser als manch andere Comedy-Show sind sie allemal. Manchmal frage ich mich zwar schon, warum die zahllosen politischen Sektierer immer wieder diese einmalige Chance, vor einem Millionenpublikum zu glänzen, ungenutzt vorüberziehen lassen und, statt Werbung zu betreiben, ihre verbissen dreinschauenden Parteivorsitzenden zwei Minuten lang sprachliche Zumutungen vom Blatt ablesen lassen. Doch dann sage ich mir wiederum: Gottseidank hat die Autofahrerpartei außer Asphalt, Blech und kostenlosem Benzin für alle nix im Kopf.
Dass diejenigen Parteien, bei denen die Zahl der Mitglieder die Zahl der Vorsitzenden nur geringfügig übersteigt, dem schwankenden Wähler immer wieder die schlagkräftigsten Argumente an die Hand geben, ihr Kreuzchen möglichst weit weg zu machen, ist normal. Nun aber scheint auch die CDU von allen guten Werbegeistern verlassen zu sein.
Das überrascht mich jedoch keineswegs, weiß ich doch als Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen, dass Opposition dumm machen kann. Vor Jahren trat hier einmal – war es Norbert Blüm? – mit einem Werbespot gegen Rau an, in dem ein Orang-Utan als Nachrichtensprecher dumme Witze über Rau machte. An dem daraufhin prompt folgenden Wahldebakel hat die CDU bis heute zu knabbern.
Für alle, die bei der Wahlwerbung wegzappen, sei hier der CDU-Spot einmal kurz zusammengefasst: Zunächst sehen wir eine riesige dicke Bratwurst. Dann fährt die Kamera in die Totale, und wir erkennen mit Schrecken, dass es sich um eine einsame Würstchenbude mitten auf einem menschenleeren Marktplatz handelt. Um diese mit hundert bunten Glühbirnen zum Leuchten gebrachte Würstchenbude würden selbst hartgesottene Krimi-Kommissare einen weiten Bogen machen – und führe er sie sogar in die Polizeikantine. Der Würstchenverkäufer soll anscheinend nach dem Willen der Wahlkampfmanagerin Angela Merkel Volkes Stimme repräsentieren. Denn mit einer kaum noch zu überbietenden Dümmlichkeit versucht er, die steif vorgetragenen Vorlagen seiner von einem Massenexodus übrig gebliebenen Kundschaft in witzige Bonmots gegen die rotgrüne Regierung umzuwandeln. Doch trotz monatelangen Manuskriptarbeiten bringt er dabei nur fade Sottisen zustande.
Diese öffentlich zur Schau getragene Dümmlichkeit ist um so erschreckender, da dieselbe Oppositions-CDU eben noch den Grünen gezeigt hat, was eine Harke bzw. eine multilaterale Quotenfrau ist. Mit geradezu zynischer Genialität, die man nur aufbringt, wenn man eh keinen Blumentopf gewinnen kann, nominierte die CDU eine Kandidatin für das höchste Staatsamt, die nicht nur weiblich und high-tech-intelligent ist, sondern auch noch aus dem Osten kommt. Und ihre berechnende Art konnte die CDU dabei so gut verbergen, dass kaum jemand gefragt hat, ob man diese Mehrzweckquotenfrau auch nominiert hätte, wenn in der Bundesversammlung die Mehrheiten anders gewesen wären.
Daher möchte ich nicht ausschließen, dass dieser Werbespot nicht für die Europawahl gedreht wurde, sondern für die Landtagswahl in Thüringen und beim Sender lediglich wie die Neujahrsansprachen von Helmut Kohl vertauscht wurde. Dann würde sich die Brechreiz auslösende Bratwurst natürlich zu einem Symbol regionaler Identität wandeln und die dümmliche Sprücheklopferei zu schlichtem aber herzlichem Mutterwitz. Ob darüber allerdings Frau Schipanski lachen kann, wage ich zu bezweifeln. Fazit: bei soviel wurstiger Trübseligkeit von Angela Merkel wünscht man sich geradezu Hintzes rote Socken zurück. – Solingen 1. Juni 1999