Der berühmte Bock als Gärtner
Man stelle sich einmal vor, der Gesundheitsminister verstünde sich als Interessenvertreter der Pharmaindustrie, oder der Innenminister unseres Landes würde gemeinsame Sache mit der türkischen Drogenmafia, der kurdischen PKK und den Resten der RAF machen. Das Erstaunen, ja die Entrüstung wäre groß. Oder man stelle sich vor, der Justizminister würde alles in seiner Macht Stehende tun, um das Verbot vom Betrug, Diebstahl, Raub, Mord, Totschlag und Vergewaltigung aufzuheben. Wir wären doch zutiefst erschüttert und forderten seinen Rücktritt, oder? Weiterhin stelle man sich vor, dass der Außenminister sein Amt so versteht, von außen, also von einem fremden Geheimdienst ferngesteuert zu werden. Dies wäre doch sicherlich ein Grund, eine kleine Anfrage im Parlament zu starten. Ebenso verblüfft wären wir, wenn der Arbeits- und Sozialminister der Wirtschaft Vorschläge zur Personalreduzierung unterbreiten oder der Finanzminister Tipps zur Steuerhinterziehung drucken lassen würde. Und spätestens wenn der deutsche Verteidigungsminister sich als Helfershelfer serbischer Kriegsverbrecher erweisen würde, käme uns doch das Sprichwort vom Bock, den man zum Gärtner macht, in den Sinn.
Nun wird der Leser sich natürlich fragen, welchen Gedanken ich mit diesen absurden Spekulationen vorbereiten möchte. Ich kann darauf jedoch nur antworten, dass diese Spekulationen mit nichten absurd sind, sondern nur die Gepflogenheiten der Amtsführungen eines bestimmten Ministeriums auf andere Ministerien überträgt. Gemeint ist das Landwirtschaftsministerium, dass sich scheinbar als oberste Interessensvertretung der Mast-, Dünge- und Gift-Mafia versteht, und diese seit Jahrzehnten tatkräftig unterstützt.
Nachdem uns allen schlecht geworden ist, als wir erfuhren, dass die Belgier ihre Tiere mit recyceltem Frittenfett und Dioxin mästen, fragten wir uns, wie denn bei uns die Tiere zur Schlachtreife gefüttert werden. Zunächst will darüber natürlich kein Landwirtschaftsminister gerne Auskunft geben. Dann sickert aber durch, dass ein Großteil des Kraftfutters aus der Spreu hergestellt wird, die vom Weizen getrennt nach der Ernte übrigbleibt. Na, da atmet man doch auf: eine natürliche, artgerechte Ernährung erhalten also unsere Hähnchen, Schweine und Rinder – doch gleich kommt der Dämpfer! Die Spreu, die beim Dreschen anfällt, ist – als Außenhaut der Pflanzen – mit zahlreichen Giftstoffen, darunter Dioxinen, belastet und gehört eigentlich auf die Sondermülldeponie. Eigentlich: dieses Wort, das die Amtsführung unserer Landwirtschaftsminister so treffend umschreibt, trennt auch die kriminelle Spreu vom politischen Weizen. Und in welchen Topf die Landwirtschaftsminister gehören, mag jeder Leser selbst entscheiden.
Wenn sich ein Dreschbetrieb damit brüstet, abfallfrei zu arbeiten, kann man davon ausgehen, dass er Geschäfte auf Kosten unserer Gesundheit macht, weil der verschmutze Dreschabfall ins Tierfutter und das Dioxin damit auf unseren Esstisch wandert.
Die deutschen Landwirtschaftsminister sind über diese Gefahr natürlich informiert worden, von den Umweltministerien und dem Umweltbundesamt. Aber diese Ministerien und Ämter haben ja auch nicht geschworen, Schaden von den deutschen Bauern sowie der Pharma- und Futtermittelindustrie abzuwenden.
Die deutschen Verbraucher, deren Geduld man nur noch mit der apathischen Langmut von Lämmern vergleichen kann, die man zur Schlachtbank führt, scheint dies nicht zu stören. Aber Dioxin im Essen ist ja auch nicht so gefährlich, wie die Drogenmafia, die PKK, die RAF, die Steuerhinterzieher, die ausländischen Geheimdienste oder die serbische Armee. – Solingen 7. Juni 1999