Ebi rennt, eine kleine Kulturgeschichte des Turnschuhs
Nachdem der Hofnarr des Regierenden Bürgermeisters von Berlin in den Morgenstunden seines sechzigsten Geburtstags an das Tegeler Gefängnistor klopfte und schrie »Ich will hier rein«, muss sich Eberhard Diepgen selbst darum kümmern, dass seine öffentlichen Auftritte auf das geneigte Interesse des verwöhnten Publikums treffen.
Diepgen, der von seinen Mitarbeitern scheinbar liebevoll Ebi gerufen wird, war schon immer sehr darum bemüht, in den Augen des Wählers nicht all zu sehr als Eierkopf dazustehen, weshalb er auch Äußerungen, die man als intellektuell bezeichnen könnte, vor laufenden Kameras zumeist vermeidet. Zuletzt trat er in der Mahnmaldebatte mit besonders schlichten Worten an die Öffentlichkeit und forderte eine kleine, schlichte, ebenerdige Gedenkplatte hinter dichten und sorgfältig geschnittenen Buchsbaumhecken, um in aller Schlichtheit an den Holocaust-Opfern vorbeigehen zu können.
Ein so schwieriger Beruf, wie der des Polit-Clowns, will gelernt sein. Aber Diepgen ist da hochmotiviert. Er sagt sich: von der Jugend lernen, heißt Siegen lernen – und zieht seine schlichte Lehre aus der Love Parade und dem deutschen Erfolgsfilm ›Lola rennt‹: Er verschont den Wähler mit Politik und – rennt: der Jugend, dem Erfolg und Joschka Fischer hinterher. Letzteren möchte Eberhard Diepgen irgendwann einmal überholen, und so joggt Ebi auch nicht in simplen Turnschuhen von Adidas, nein, für die morgendlichen Laufrunden eines Regierenden Bürgermeisters müssen schon besondere Joggingschuhe her, und so ließ er von wem auch immer den ebiRunner kreieren. Mit diesem super-trendig gestylten Laufschuh möchte er sich nicht nur von dem Mann mit dem roten Schal und den Herrschaften mit den roten Socken abheben, sondern er spielt mit dem ebi-runner bewusst auf eine ebenfalls recht schlichte Comicfigur, den Roadrunner, an, welcher dem Kojoten Karl stets heiser hupend davon lief und diesen regelmäßig in einen Cañon stürzen ließ. Dort würde Eberhard Diepgen seine politischen Gegner auch gerne sehen. Nur sagt er das nicht, weil er die Rave-Generation ja nicht mit Politik langweilen möchte.
Stattdessen hat er sich eine Homepage machen lassen, die der geneigte Sudelbuch-Leser mal schön selbst finden soll, macht sie doch dem Sudelbuch auf impertinente Weise Konkurrenz. Aber wer Kunzelmann als Lehrer gehabt hat, der kann es einfach besser. Dort auf Diepgens Homepage kann man nicht nur so genannte Themencards (auf deutsch: Themenkarte oder besser Werbemittel) kostenlos bestellen (zu einer Garantiekarte, wie sie die SPD im Bundestagswahlkampf eingesetzt hat, konnte sich der gelernte Jurist nicht durchringen), nein man kann auch den ebi-runner für 97,60 DM oder 49,90 Euro gegen Nachnahme bestellen, natürlich ausschließlich in Diepgens Schuhgröße.
Ich stelle mir gerade ein Museum des 20. Jahrhunderts vor, in dem die Turnschuhe von Armin Hary, Joschka Fischer und Eberhard Diepgen friedlich nebeneinander hängen, während ein Ethnologe wortreich versucht, die Unterschiede zu erklären: Aufstieg und Fall eines Kleidungsstückes – schlichter und jugendgerechter kann man Politik und ihr Ende nicht vermitteln. Aber ein Trost bleibt den weniger schlichten Bürgern dieses Landes. Während Joschka Fischer wahrscheinlich noch als BundespräsidentIn auf seine Turnschuh-Vereidigung angesprochen werden wird, landen die 200 von der jungen Union bestellten ebi-runner spätestens nach der nächsten Love-Parade ganz stickum, wie meine Oma immer sagte, auf dem Müll. Aber dann ist Dieter Kunzelmann ja wieder auf freiem Fuß. Und eine Henne soll er sich auch schon ausgesucht haben. – Solingen 21. Juli 1999