Die Säuberung
In einem Sudelbuch sollte man eigentlich nicht von Säuberung sprechen. Das ist wie mit dem Glashaus und den Pflastersteinen. Vielleicht sollte ich das Ganze eher schmerzhafte Häutung nennen oder gönnerhaft altklug den quälenden Prozess des Erwachsenwerdens. Doch ich bin mehr für Klartext, erst recht dann, wenn es um die Grünen geht. Deshalb: Säuberung!
Nun wird die Partei also gesäubert. Joschka Fischer hat Röstel und Radcke zum Abschuss freigegeben. Er tat dies vielleicht ungeschickt vielleicht zu spät, ganz sicher aber, wie man so schön sagt, furchtbar unsolidarisch so kurz vor einer Landtagswahl, die für die Grünen auch nicht schlimmer ausgegangen ist, als andere Landtagswahlen im Osten.
Bitter notwendig ist diese Säuberung allemal. Selbst ich, der die Grünen mit geradezu ökofanatischem Langmut betrachte, kann dieses Quotenduo, diese sorgsam austarierte Ost-, Frauen-, Realo- und Fundi-Nullnummer nicht mehr sehen. Als seien die Grünen eine Selbsterfahrungsgruppe, in der man niemandem auf die Füße treten darf, hat diese Partei schon lange vor lauter innerparteilicher Konsensbildung die Orientierung verloren. Die grünen Wähler, die noch fähig sind, die umweltpolitischen Katastrophenmeldungen aus dem täglich Nachrichtenmüll herauszuhören, erwarten keine Quoten-Arithmetik, sondern Lösungen. Und zwar subito!
Radcke und Röstel aber drehen seit Jahr und Tag geduldig an der Gebetsmühle, dass man seine Politik besser verkaufen müsse, dass man dies oder jenes tun oder lassen müsse, dass man in der Partei über dies oder jenes reden müsse. Ja zum Teufel, warum tun sie es dann nicht?
Die Parteibasis hat – erschreckend genug – selbst nicht die Kraft, vielleicht auch nicht die Lust, diese Muppetshow der Mittelmäßigkeit endlich zu beenden. Die Revolution muss leider mal wieder von oben gemacht werden. Das macht nicht gerade Mut, sich an der grünen Basis zu engagieren. Denn dort kann man wahrscheinlich vor lauter Radckes und Röstels beiderlei Geschlechts kaum noch frei atmen.
Nun aber wird gesäubert. Endlich! Mal sehen, was hinterher noch übrig bleibt. – Solingen 19. September 1999