Wo ist die Million geblieben?
Geld stinkt nicht, sonst würde sich die Suche nach Walther Leisler Kieps Million sicherlich leichter gestalten. Man bräuchte bloß dem Gestank zu folgen, oder den Verbrauch von Deodorants in Politikerkreisen unter die Lupe zu nehmen.
Geld löst sich auch nicht in Luft auf, es hat höchstens die verwirrende Eigenschaft mehrmals gewaschen an den absonderlichsten Orten urplötzlich aus dunklen Kanälen oder schwarzen Kassen aufzutauchen. Solches Geld, von dem niemand weiß, woher es kommt und wohin es geht, dessen Wege also nicht die unsrigen sind, dient vor allem als Schmierstoff, wenn juristischer oder moralischer Sand die sorgfältig ineinander greifenden Zahnräder zu blockieren droht. Oder es wird zur Abdichtung undichter Stellen benutzt, wenn Tatsachen, Absichten oder Vereinbarungen peu à peu durchsickern. Und natürlich ist Geld, bzw. viel Geld ein ausgezeichnetes Bindemittel, um familiäre Beziehungen zu stiften, die ein Leben lang, ja sogar darüber hinaus, anhalten. Und je nachdem, ob es schmiert, dichtet oder bindet, heißt es Schmiergeld, Schweigegeld oder Provision.
Sie muss also noch da sein, die Million des Herrn Kiep, die er von einem Waffenhändler für etwas erhalten hat, was auch noch weitestgehend im Dunklen liegt. Doch wo ist sie? Kiep hat sie nicht. Die CDU hat sie nicht. Das Finanzamt schon gar nicht. Bloß ein Mitarbeiter will einen Teil davon erhalten haben, als Dank für treue Dienste und diskrete Verschwiegenheit.
Getreu dem Sprichwort: Über Gelder weiß man nichts, man hat sie, kann sich auch weder der ehemalige Parteivorsitzende noch sonst wer in der CDU daran erinnern, woher und wohin und ob überhaupt. Nun ist eine läppische Million auch bloß eine Viertel Erdnuss. Und solche Kinkerlitzchen interessieren doch niemanden mehr so recht. Wer würde heutzutage noch Lotto spielen, wenn im Jackpot eine einzige, einsame und mickrige Million auf den Gewinner warten würde. Da kann man wirklich nicht verlangen, dass ein Mann wie Helmut Kohl, der sich seine liebe lange Amtszeit abgemüht hat, einen Schuldenberg von historischen Ausmaßen aufzutürmen, sich auch noch um die Portokasse der Waffenindustrie oder die private Altersvorsorge verdienter Mitarbeiter kümmert.
Der Volksmund gab dem Geld immer schon besonders treffende Namen. So spricht er z. B. von Mäusen, und dies zeugt von großer Beobachtungsgabe. Wie eine Schar flinker Mäuse so verschwindet auch das Geld blitzschnell und spurlos in unsichtbaren Ritzen und Spalten, wenn die Katze nach Hause, bzw. der Staatsanwalt ins Büro kommt. Da hilft auch keine Mausefalle oder Haftbefehl, denn das Geld für eine Kaution hat man in den Kreisen, in denen ein Herr Kiep verkehrt, immer übrig.
Wie gesagt, Geld stinkt nicht, aber es hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Wenigstens dort, wo die Waffen zum Einsatz kommen. Das hilft uns zwar auch nicht weiter bei der Suche nach Walther Leisler Kieps Million, aber es motiviert vielleicht den einen oder anderen beim Suchen. – Solingen 14. November 1999