Das Licht der schwarzen Kassen
Schon immer hat sich die CDU gerne als Wirtschaftspartei bezeichnet. Dass dieser Begriff jedoch wörtlich zu nehmen ist, wurde vielen erst klar, als Kohl zugeben musste, dass er über ein umfangreiches, persönliches Finanzinstrumentarium verfügte, das man vulgo schwarze Kassen nennt. Wenn man den Meinungsumfragen glauben darf, so beginnt es in den Hirnen der CDU-Anhänger ganz langsam zu dämmern. Man beginnt sich zu fragen, ob der Kanzler-Schwur, dem deutschen Volke Gutes zu tun, vereinbar ist mit dem Verschieben großer Millionenbeträge, deren Herkunft damit anscheinend verschleiert werden sollte. Es scheint sich langsam aber sicher ein schwaches Licht in den Köpfen der Wähler ausbreiten zu wollen, welches allerdings verdammt lange Schatten wirft: und zwar in unsere jüngste Vergangenheit hinein.
Wenn ich aufmerksam zugehört habe, und die Medien die ehemalige Lieblingsgebetsmühle Schäubles nicht neuerdings heraus schneiden, so betont der CDU-Vorsitzende in letzter Zeit weniger häufig, dass ein Helmut Kohl nicht bestechlich sei. Er begnügt sich damit, allgemeine Ehrenerklärungen abzugeben und fortlaufend zu wiederholen, dass Kohl der Kanzler der deutschen Einheit bleibe, – komme was wolle, scheint er hinzufügen zu wollen, schluckt es aber dann doch hinunter.
Das Licht, welches für den riesigen Schatten auf unsere jüngste Vergangenheit verantwortlich ist, dürfte vielen Menschen unheimlich sein. Denn es wirft zwei Fragen auf, die einen Rattenschwanz weiterer Fragen nach sich ziehen. Wer gab das Geld und welche Gegenleistung erhielt er dafür? Da es nicht verboten ist, Parteien Geld zu spenden, um ihnen bei der Willensbildung des deutschen Volkes unter die Arme zu greifen, kann man sich nur schwer vorstellen, dass die Geldgeber (oder muss man sie stille Teilhaber am Staate nennen?) aus purer Nächstenliebe Kohls schwarze Kassen gefüllt haben.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland könnte ein überaus nützlicher Dienstleister für denjenigen sein, der ihn sich leisten kann. Immerhin besitzt der Chef der Deutschland AG einen ganzen Bauchladen hochspezialisierter Dienstleistungen, von denen andere nur träumen können. Mit ein wenig Verständnis für kundenorientiertes Marketing könnte er die komplexen und erklärungsbedürftigen Einzelleistungen sogar in marktgängige Pauschalpakete zusammenschnüren. Denkbar wäre z. B. ein Steuerschlupflochformulierungspaket, ein Sozialkassenplünderungspaket, ein Ermittlungsaktenschließungspaket, ein Subventionszuschusterungspaket, ein Volksvermögenverschleuderungspaket oder – für Premiumkunden – das BND-Service-Paket für Unternehmen, die ihre eigene Werksspionage ›outsourcen‹ wollen.
Die CDU hat zugesagt, alle Fakten auf den Tisch zu legen. Ob sich unter den Fakten auch eine Preisliste für Dienstleistungen des Kanzlers befinden wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich, denn in den Kreisen, die sich einen Kanzler leisten könnten, wenn er denn zum Verkauf ansteht, wird über Geld sicherlich nicht gesprochen.
Kommen wir aber zu den Schatten zurück. Da besteht eigentlich kein Grund zur Besorgnis, denn erstens ist, wie wir von Schäuble wissen, ein Helmut Kohl nicht bestechlich, und zweitens haben wir Deutsche in diesem Jahrhundert unsere Geschichte schon mehrmals umgeschrieben, so dass es uns auch nicht schwerfallen dürfte, 16 Jahre Kohl mit anderen Augen zu betrachten, mit Augen, in die das Licht der schwarzen Kassen gefallen ist. – Solingen 15. Dezember 1999