Der inszenierte Spendenskandal
So einfach ist das. Helmut Kohl telefoniert ein wenig herum und schon hat er genug Bimbes, nämlich 6 Millionen DM, zusammen, um für die CDU die Strafe für die zwei Millionen DM zu bezahlen, die er aus ehrenwerter Gesellschaft erhalten haben will. Da staunt jeder, der schon einmal für einen guten Zweck Spenden gesammelt hat.
Konsequent zu Ende gedacht ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass diejenigen den Schaden bezahlen, die von den politischen Entscheidungen der CDU profitiert haben. Und das sicherlich nicht zu knapp. Was sind da schon 6 Millionen?
Seit der Wahl in Schleswig-Holstein ist mir vieles klarer geworden. Zum Beispiel habe ich nun verstanden, was Frau Merkel und die anderen selbsternannten Aufklärer meinen, wenn sie davon reden, Vertrauen wieder zurück gewinnen zu wollen. Sie meinen natürlich nicht das Vertrauen der Wähler, sondern vielmehr das Vertrauen der Wirtschaft in die Spendenwaschfähigkeit der CDU. Denn nichts ist auf Dauer sinnloser als eine Partei, von der alle wissen, dass sie bestechlich ist, weil laufend Geld unbekannter Herkunft auftaucht. Merz ist da auf dem richtigen Weg, hat er doch angekündigt, schnellstmöglich zur Sachpolitik, also zum Lobbyismus zurückzukehren.
Die zweite große Erkenntnis der Schleswig-Holstein-Wahl lautet: Es gibt auch unter CDU-Wählern anständige Menschen. Diese Leute sind zwar nicht sehr zahlreich in Schleswig-Holstein sind es gerade mal zwei Prozent aber es gibt sie. Wieso sich zwei Prozent der CDU-Wähler in SchleswigHolstein als resistent gegen die geistig-moralische Wende der CDU erwiesen haben, müssen nun die Soziologen klären. Ich vermute, dass es sich bei diesen Abtrünnigen um altertümliche Anhänger der Zeugen Jehovas handelt, die es mit der Ehrlichkeit aus eschatologisch nicht ganz nachvollziehbaren Gründen genauer nehmen als deutsche Finanzbehörden.
Die 35 Prozent, die weiterhin in Schleswig-Holstein CDU gewählt haben, sind ganz offensichtlich mit dem Verhalten der CDU rund herum zufrieden. Sie sind eben der Überzeugung: Besser mit gemeinen Tricks an der Macht bleiben, als die Macht zu verlieren. Jeder Handwerksmeister, der auf kommunale Aufträge schielt, weiß doch, worin der Unterschied zwischen Regierung und Opposition besteht!
Die Feststellung, dass es in einer Demokratie ein proportionales Verhältnis zwischen Oben und Unten gibt, ist aber bei weitem noch nicht alles. Die wichtigste Erkenntnis der Wahl in Schleswig-Holstein ist die, dass der ganze Spendenskandal von der CDU selbst inszeniert wurde, um wieder an die Macht zu kommen. Über ein Jahr nämlich musste die CDU hilflos beobachten, wie sich in weiten Teilen der Bevölkerung der für die CDU fatale Gedanke breitmachte, Politik könne, wenn die richtigen Parteien an der Macht sind, ihr Leben verbessern. Mehr Kindergeld, geringere Rentenbeiträge und das aufrichtige Ringen der Regierung mit der Atom-Mafia haben viele Menschen nachdenklich gemacht. Vielleicht ist Politik doch kein vollkommen schmutziges Geschäft. Vielleicht werden, wenn ich nur die richtige Partei wähle, auch einmal meine Interessen berücksichtigt. Vielleicht lohnt es sich gar, sich politisch zu engagieren?
Dieser erschreckenden Entwicklung musste natürlich schnellstmöglich ein Riegel vorgeschoben werden. Zunächst hat die CDU versucht die regierenden Parteien direkt in Misskredit zu bringen, doch sie fand in Niedersachsen nur eine gesponsorte Ägyptenreise und in Düsseldorf nicht mehr als die Flugbereitschaft einer Landesbank, die immer gerne bereit war, für Mitglieder der Landesregierung in die Luft zu gehen. Das war nicht eben viel. Weil alles nichts half, und die Zeit drängte, musste man, so schmerzlich das auch war, die eigene illegale Parteienfinanzierung geschickt durch die Medien, die alleine nie was gemerkt hätten, ans Licht zerren lassen, um das Vorurteil vom schmutzigen Geschäft zu bestätigen. Das ist der CDU ja nun auf ganzer Linie gelungen, weshalb weite Teile der Bevölkerung sich eben keine Gedanken mehr über die Nützlichkeit von Politik machen, nicht mehr zur Wahl gehen, und sich aus schierem Selbstschutz erst recht nie in eine Partei begeben würden, nur um darin umzukommen.
Die Folgen sind von den CDU-Strategen genial berechnet worden. Es gehen nur noch diejenigen zur Wahl, die der Meinung sind, der Zweck der CDU heilige die kriminellen Mittel. Und es bleiben auch nur noch die wirklich miesen Typen CDU-Mitglied, Leute eben, auf die man sich 100 Prozent verlassen kann, wenn mal wieder ein Koffer abzuholen ist. – Solingen 2. März 2000