Wo bleibt die Black-Red-Gold-Card?
Erst knallte Gerhard Schröder in Ermangelung eines deutschen Begriffs die Green-Card auf den Tisch. Jetzt trumpft Bayerns Beckstein mit der BlueCard. Und da der Regenbogen viele Farben hat, können wir uns in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit auf ein fröhliches Kartenzücken gefasst machen. Es kann sich eigentlich nur noch um Stunden handeln, bis Jürgen W. Möllemann der Versuchung nicht mehr widerstehen kann und eine Yellow-Card aus dem Taschenspielerärmel hervorzieht, sich vor die Kameras stellt und sagt: »Ich glaube, Politik ist gelb.« Die Grünen haben in dieser Diskussion schlechte Karten, da der Kanzler ihre Farbe im Handstreich okkupiert hat und sie im Moment überhaupt noch ein wenig farblos in der politischen Landschaft herumstehen.
Überraschend ist die weißblaue Kartenemission allerdings schon, wollte man in der CSU bisher den Ausländern doch am liebsten die rote Karte zeigen. Mittlerweile hat man aber wohl zähneknirschend einsehen müssen, dass selbst in Bayern die IT-Spezialisten nicht auf den Bäumen im Bayrischen Wald wachsen und man mit den Kraftausdrücken vom Stammtisch keine regulären Ausdrücke im Quellcode ersetzen kann. Ob die Blue-Card auch außerhalb Bayerns Gültigkeit besitzen wird oder allein Siemens und anderen bayrischen Firmen vorbehalten bleiben soll, ist noch nicht ganz klar.
Noch zu vergeben sind die Violet-Card, die Pink-Card, die Brown-Card, die White-Card, die Grey-Card und die Black-Card. Es sind noch genügend Farbschattierungen frei, so dass jede gesellschaftlich-relevante Gruppierung, von den Kirchen über die Gewerkschaften bis hin zu den Tierschutzvereinen, im Sommertheater auftrumpfen kann. Vielleicht kommt es ja sogar zu einem richtigen Color-Card-Fieber und unsere Kinder schmeißen die Pokemon-Karten in den Müll, um die Fehlfarben der Saison zu sammeln.
Wünschenswert wäre natürlich eine einheitliche Regelung in ganz Deutschland, aber durch die Einführung einer Black-Red-Gold-Card würden die Überschriften in der Presse, für die allein bekanntlich das Sommertheater inszeniert wird, zu lang.
Eins zeigt die Diskussion jedoch nur zu deutlich. Die Politik hat von der Wirtschaft gelernt. Seit Jahren gelingt es deutschen Firmen jeden Mist an den Mann zu bringen, wenn man ihn nur Droppings nennt. Statt ausländische Computerspezialisten mit allerlei farbigen Cards ins Land zu holen, sollte man die hiesigen Arbeitslosen besser in »UPs« (sprich juppis: unemployed persons) umbenennen und als hochbezahlte Spitzenkräfte an Siemens vermitteln. Die bemerken den Betrug frühestens beim nächsten Business Process Reengineering.
Die Anglizismen in der deutschen Einwanderungsdebatte haben natürlich auch eine historische Ursache. Immerhin war Deutschland bisher immer ein Land, aus dem man auswandert und nicht einwandert. Die Gründe waren vielfältig. Die einen wollten sich nicht mehr von den Vorfahren eines Ernst August ans Bein pinkeln lassen, die anderen zogen es vor, sich von den Vorgängern der christlich-sozialen Durchrassungsgegner nicht ermorden zu lassen.
Warten wir also ab, ob die Karten der Politiker wenigstens einmal nicht gezinkt sind. Sobald das Sommertheater vorbei ist, spielt die Farbe sowieso keine Rolle mehr. Hauptsache, die Karte sticht. – Solingen 4. Juli 2000