Duden-Redaktion streicht altertümliche Begriffe
Es ist mittlerweile einfacher, einen unkündbaren Beamten oder ein Betriebsratsmitglied loszuwerden als einen CDU-Ministerpräsidenten. Überall möchte die CDU den Kündigungsschutz aufweichen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen, nur das Staatsschiff soll weiterhin in dem trüben Gewässer von Korruption und Machtmissbrauch umherdümpeln, in das es von Kohl, Koch und Konsorten hineinmanövriert wurde. Wie soll man in dieser Situation einem Jungwähler widersprechen, der behauptet, Politik sei ein schmutziges Geschäft? Soll man ihn mit einem altklugen »früher war alles besser« zu Tode langweilen? Wie soll sich auch jemand, der jünger ist als 35, einen Politiker wie Willy Brandt vorstellen, der zurückgetreten ist, nicht weil er gelogen hat, nicht weil er illegale Millionenspenden eingesackt hat, nicht weil er mit Schwarzgeld einen ausländerfeindlichen Wahlkampf finanziert hat, sondern einzig und allein, weil es der Stasi gelungen war, einen Spion in seine engere Umgebung einzuschleusen? Dies muss doch auf die heutige Jugend wirken, wie auf uns die skurrilen Geschichten unserer Urgroßeltern über Duelle aus verletzter Ehre.
Die Erstwähler von heute kennen doch nur noch Politiker wie Koch, die wie Herpes an der Macht kleben, die glauben, der Staat sei für sie gemacht, und die das Verantwortungsgefühl eines Heroindealers besitzen. Da ist es natürlich auch nicht verwunderlich, dass sich viele Leute fragen: Warum soll gerade ich kein Arschloch sein?
Es ist ziemlich verwegen, einem Neonazi zuzurufen, er folge den falschen Vorbildern, wenn man ihm als Alternative nur Roland Koch anzubieten hat. Dass Politik nicht nur aus Lügen besteht, lernen Jugendliche nur noch in den Geschichtsbüchern. Und warum sollten sie ausgerechnet diesen Büchern Glauben schenken?
Seit Kohl die Bühne der Politik betreten hat, muss man schon sehr weit ausholen, um Begriffe wie »Gemeinwohl« zu erläutern. Die Duden-Redaktion hat daraus schon erste Konsequenzen gezogen. Sie sagt, der Duden sei kein Sprachmuseum, und nimmt daher nicht nur zahlreiche Neologismen wie »Shareholder Value« in den Olymp der deutschen Sprache auf, sondern streicht auch konsequenterweise viele altertümliche Worte, die seit Kohl außer Gebrauch gekommen sind, wie »Aufrichtigkeit« und »Gemeinwohl«. Sich darüber jetzt aber groß aufzuregen, macht angesichts der Debatte um drei f in Schifffahrt keinen Sinn. Also lassen wir es. – Solingen 11. September 2000