Schlachtet die Unschuldslämmer!
Unsere Bauern können doch nix für BSE, oder?
Unsere Bauern sind ja sowas von unschuldig an BSE, dass einem die Tränen kommen, wenn man sieht, wie eine furchtbare Phalanx aus biestigen Verbrauchern und bösen Politikern diese Herde harmloser Unschuldslämmer zur Schlachtbank treibt. Dabei haben die bösen Politiker gerade beschlossen, für die Bauern die Drecksarbeit und damit 400.000 Rinder allein in Deutschland zu erledigen. Undankbare Böcke!
BSE ist aber auch wirklich eine ganz hinterhältige Sache. Da kümmert man sich als gestandener Bauer tagein tagaus aufopferungsvoll um sein Vieh, schüttet ihm allerlei Kraftfutter und Hormone ins Futter, damit es schlachtreif wird, bevor die BSE-Prionen das Hirn aufweichen und der BSE-Schnelltest anschlagen kann, spritzt ihm beim kleinsten Silberblick die gesamte Antibiotika-Palette rauf und runter, doch gedankt wird es einem nicht. Selbstlos spendiert man als tierlieber Bauer seinen Schweinen, Kühen und sogar bodengehaltendem Federvieh regelmäßig einen geilen Psychopharma-Tripp, so dass der ganze Stall besser drauf ist als jeder Raver, und dann erfinden irgendwelche Mediziner eine neue Krankheit und schon ist die Party zu Ende. Da ist es kein Wunder, wenn die Bauern auf die Straße gehen und sich wie Rainbow-Warrior an ihre Kühe ketten, wenn diese aufgrund der Sippenhaftung allesamt gekeult werden sollen. Natürlich haben sie Recht die Bauern! Schreiendes Unrecht passiert ihnen! Es ergeht ihnen wie einem Doppelmörder, der für einen dritten Mord, den er nie begangen hat, gehenkt wird. Opferlämmer sind’s, die zur Subventionsschlachtbank getrieben werden!
Apropos Subventionen. Da können die Bauern eigentlich nicht meckern. Die EU ist wie immer sofort zur Stelle, um auf Kosten des Steuerzahlers irgendwelche Lebensmittel zu vernichten, die gerade aus welchen Gründen auch immer keinen Abnehmer finden. Mal waren es Apfelsinen, dann Butterberge und Milchseen, und nun sind es eben ganze Rinderherden. Ein echter Bauer kann nur pleite gehen, wenn er aus Versehen etwas produziert, was die Leute tatsächlich kaufen wollen. Blökende Wiederkäuer!
Apropos Wiederkäuer! Mein Sohn fragte mich letztens, woher denn in Zukunft die Milch käme, wenn man die Kühe ausrottet. Da mein Sohn gut in Mathe ist, konnte ich ihm erläutern, dass 400.000 tote Rinder zwar zum Himmel stinken, aber ein Aussterben von Bovus taurus noch nicht zu befürchten ist.
Ein Gutes hat die Massentötung immerhin. Man kann seinen Kindern endlich wieder den Begriff ›pervers‹ erläutern, ohne einen hochroten Kopf zu bekommen. Ohne BSE müsste man da schon Zuflucht bei den sexuellen Vorlieben des belgischen Establishments nehmen. So aber braucht man seinen Kindern bloß zu sagen: pervers ist, wenn Tierschützer und Bauern gemeinsam gegen die Tötung von Tieren demonstrieren, die zu nichts anderem als zum Töten groß gequält wurden.
Seltsamerweise gehen die Biobauern nicht auf die Straße. Sie haben scheinbar schon vor Jahren den Fehler gemacht, Produkte zu erzeugen, die der Verbraucher tatsächlich kaufen will. Selbst heute, wo der Rindfleischmarkt angeblich zusammengebrochen ist, hätte so mancher Biobauer gerne ein paar Rinder mehr im Stall. Soviel zum Thema Marktbereinigung.
Aber da stellt sich sofort die Frage: Sind Biobauern eigentlich richtige Bauern? Oberflächlich betrachtet, muss man diese Frage wohl mit ja beantworten. Biobauern bauen Gemüse an und verkaufen es. Sie bauen Obst an und verkaufen es. Sie züchten Tiere, schlachten sie und verkaufen ihr Fleisch. Schaut man jedoch hinter die Fassade, so tun sich Abgründe auf. Den Tierarzt sehen die Tiere nur, wenn sie krank sind. Von vorbeugender Gesundheitsvorsorge haben Biobauern noch nie was gehört. Lammkoteletts? Fehlanzeige! Rein vegetarisch werden die Kühe ernährt. Da sind schwerste Mangelerscheinungen vorprogrammiert. Ja, selbst das, was jeder Jungbanker im Bodybuilding-Studio zwischen zwei Durchgängen schluckt, wird den Biokühen vorenthalten. Biobauern sind also nur oberflächlich betrachtet echte Bauern. Blickt man tiefer, so sind es ganz normale, anständige Menschen.
Fazit: Schlachtet endlich die Unschuldslämmer! Und lasst die Kühe leben. – Solingen den 6. Februar 2001