NMD und die Treibhauswaffe
George Bush und seine beste Massenvernichtungswaffe
Was muss ein Land tun, das zu 25 Prozent für die Vernichtung anderer Staaten und den Tod von mehreren Millionen Menschen verantwortlich zeichnet? Es braucht NMD, eine National Missile Defense. Und da hat George Bush jun. vorgesorgt. Rechtzeitig bevor er kürzlich Inselstaaten und Küstenbewohnern auf der ganzen Welt den totalen Krieg erklärte, hat er den Aufbau eines nationalen Raketenabwehrsystems beschlossen. Scheinbar hat George Bush jun. als Gouverneur von Texas an hingerichteten Strafgefangenen Blut gerochen und will nun als größter Feldherr aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Sicher fühlt man sich wie ein biblischer Zornesgott, wenn man unter Ausnutzung des Treibhauseffekts Millionen Inder und Südostasiaten durch Sintfluten und Regenfälle hinwegspült und ebenso viele renitente Südamerikaner und Afrikaner durch jahrzehntelange Dürreperioden ausdörrt. Vielleicht hat ihm sogar ein Klimaforscher gesteckt, dass Kuba mitsamt den ganzen Scheißkommunisten als erstes in den reinigenden Fluten des Endsiegs versinken wird.
Vermutlich ist aber alles viel banaler, was mich bei diesem Präsidenten auch nicht wundern würde. Sicher muss Junior jetzt bloß das viele Geld abarbeiten, das ihm die US-Stromindustrie für seinen Wahlkampf in die Taschen gestopft hat.
Wie dem auch sei. Immerhin hat er vorgesorgt für den Fall, dass einem absaufenden Schurkenstaat der Kragen platzt und er eine atomare Langstreckenrakete auf eine der als Kohlekraftwerk getarnten Massenvernichtungswaffen der USA abschießt.
Was aber sollen wir tun, die wir zwar auch absaufen, die wir aber keine Schurkenstaaten sind, sondern ›Partner in Leadership‹? Müssen wir Präventivschläge gegen amerikanische Klimaanlagen aushecken? Wenn schon Staaten bombardiert werden, von denen man lediglich annimmt, dass sie Massenvernichtungswaffen liebend gern produzieren würden, wenn sie denn könnten, was wird dann mit einem Land geschehen, dass die wirkungsvollste Massenvernichtungswaffe aller Zeiten tagtäglich gegen jedermann einsetzt? Zunächst einmal nichts, denn auch bei uns muss ein Autokanzler seine Schulden bei der Industrie abarbeiten. Und wenn dann in 20 Jahren das ferne Mikronesien untergeht oder Frankreichs Atombombentestgebiet sich dem Zugriff von Greenpeace durch Versinken endgültig entzieht, wenn die Menschen in Asien noch ein wenig mehr zusammenrücken müssen und die Afrikaner Staub fressen, dann haben die USA ihr Raketenabwehrsystem längst schon fix und fertig installiert, so dass sie den Zorn der untergehenden Schurkenstaaten nicht zu fürchten brauchen.
Wir Partner in Leadership können uns bis dahin mit der biblischen Vorstellung trösten, dass dann den Juniorrentner George Bush auf seiner Farm in Texas ein Tornado ergreift und in die Grube befördert, die er anderen gegraben hat.
Oder besinnen sich die europäischen Außenpolitiker und streichen im Umgang mit ihren Partnern Sentenzen wie ›Das haben wir nicht zu kritisieren‹ aus ihrem Vokabular? Noch besser wäre es jedoch, wenn sie es nicht bei Worten beließen, sondern die amerikanischen Umweltschützer mit allen Mitteln unterstützten. Denn die trefflichste Bombe gegen die USA ist die, die im Repräsentantenhaus, im Senat oder, weniger chirurgisch, im Frühstücksfernsehen platzt und George Bush jun. wie einen beim Trinken erwischten Ex-Alkoholiker aussehen lässt. Denn gegen Meinungsminen im eigenen Haus hilft ihm keine National Missile Defense. – Solingen den 20. März 2001