Die PISA-Studie von Dr. Helmut Kohl
Seit gestern halten wir eine neue PISA-Studie in Händen, die natürlich nicht PISA-Studie heißt, sondern KISA-Studie: Korruption Ist Sein Auftrag. Wie der Name vermuten lässt, untersucht diese Studie nicht die Lesekompetenz und mathematischen Fähigkeiten unserer Schüler, sondern die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie.
Laut KISA nimmt Deutschland im Vergleich mit anderen Demokratien, weit hinter Italien, den letzten Platz ein. Helmut Kohl, der die Langzeitstudie gemeinsam mit offiziellen und inoffiziellen Kassenwarten der CDU durchführte, konnte nachweisen, dass es um die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie schlecht bestellt ist.
Nachdem der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gestern darauf verzichtete, Beugehaft für den Kronzeugen im Parteispendenskandal zu beantragen, ist ein für allemal geklärt, dass ein Ex-Kanzler in Deutschland öffentlich zugeben kann, seinen Amtseid, den er fünfmal geleistet hat, gebrochen zu haben, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Ferner haben die Wissenschaftler um Dr. Kohl bewiesen,
- dass eine Partei nicht nur jahrzehntelang Millionen auf schwarzen Konten horten, sondern auch noch auffliegen kann, ohne in der Wählergunst nachhaltig zu sinken,
- dass eine Regierung ohne großen Verschleierungsaufwand einen Großteil ihrer Regierungsakten verschwinden lassen kann, ohne dass dafür irgendjemand zur Rechenschaft gezogen werden kann,
- dass alle deutschen Staatsanwälte ohne größeren politischen Druck von Ermittlungen abgehalten werden können, die einen der größten Korruptionsfälle der Nachkriegszeit aufdecken könnten, obwohl halb Europa bereits in diesem Fall den deutschen Ermittlern zuarbeitet.
Gegen eine konsequent über viele Jahre betriebene Korruptionspraxis, so Dr. Kohl in der Zusammenfassung der Studie, hat unsere Demokratie keine Mittel in der Hand. Sie ist weder in der Lage, politische Korruption gerichtsverwertbar aufzuklären, noch kann sie die Straftäter dingfest machen. Das Kohl-Team konnte empirisch nachweisen, dass es durchaus möglich ist, Deutschland 16 Jahre mit einer korrupten Regierung zu verwalten. Selbst das Teilgeständnis eines ehemaligen Bundeskanzlers bietet den demokratischen Organen, Bundestag und Justiz, sowie der Presse keinen Hebel, um eine zufrieden stellende Aufklärung der Verbrechen zu leisten.
Das Ergebnis der KISA-Studie könnte vernichtender nicht sein. Die Bundesrepublik Deutschland ist gegen innere Feinde wehrlos. Für diese Erkenntnis sind wir Dr. Kohl und seinem Forscherteam zu Dank verpflichtet. Ohne seine aufopferungsvollen empirischen Feldstudien, bei denen Helmut Kohl unwiderlegbare Beweise gesammelt hat, wären uns nie die Augen geöffnet worden.
Es bleibt zu hoffen, dass die KISA-Studie von jedem Bundesbürger aufmerksam gelesen wird. Eine Farce wie gestern im Parteispendenuntersuchungsausschuss darf sich nicht wiederholen. Eine Demokratie darf nicht nur wehrhaft gegen äußere Feinde wie z. B. den Kalifatsstaat sein. Sie muss auch fähig sein, innere Feinde zu bekämpfen. KISA hat gezeigt: die schlimmsten Feinde untergraben das System von innen, mit den Mitteln der Demokratie: mit dem Aussageverweigerungsrecht, mit Erinnerungslücken und wie im Falle der Staatsanwaltschaften mit Dienst nach Vorschrift.
Als empirisch-subversiver Feldforscher, der sich auch mal selber die Hände schmutzig macht, hat Dr. Kohl den Nobelpreis für Politikwissenschaft verdient. Und als echter Wissenschaftler lässt er sich von Kritikern nicht aus dem Konzept bringen. Er wird, das hat er gestern angekündigt, jetzt erst recht weiterforschen. Auf die niederschmetternden und brisanten Ergebnisse kann man gespannt sein. – Solingen den 14. Dezember 2001