Bimbes für Linux
Wir schmieren unsre MdBs
Die Bundestagsverwaltung braucht neue Computer. Vor einigen Jahren hätte sich der Key Account Manager von Microsoft bei dieser Nachricht in seinem breiten Sessel zurückgelehnt und überlegt, ob er von der zu erwartenden Provision sich nun eine Yacht anschaffen soll oder doch lieber einen Zweitporsche für seine Freundin.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Im Bundestag wird ernsthaft darüber nachgedacht, Geld zu sparen und statt Windows lieber Linux einzusetzen. Da springt der Kundenbetrüger wütend aus seinem Sessel und muss doch tatsächlich einmal die Daumenschrauben anziehen. Heerscharen von unabhängigen Experten werden auf die Abgeordneten losgelassen und warnen vor den Gefahren Offener Software. Wer einem Wolfgang Clement einen Knebelvertrag für ein ganzes Bundesland angedreht hat, lässt sich doch von ein paar aufmüpfigen Hinterbänklern nicht das Geschäft vermiesen!
Aber trotz der uneingeschränkten Solidarität des deutschen Bundeskanzlers mit amerikanischen Interessen, rennen die Lobbyisten von Microsoft bei den Abgeordneten keine offenen Türen ein. Viele haben sich zwar die amerikanische Flagge auf ihren verlängerten Rücken tätowieren lassen, behaupten aber immer noch, dass Offene Software in der SPD-Fraktion seit Jahren problemlos läuft. Soviel Antiamerikanismus ist widerlich! Doch so schnell gibt ein ehemaliger Monopolist nicht auf.
Wenn es sein muss, lässt man vor den Abgeordneten die Hosen runter bzw. die Abgeordneten in einem abgeschirmten Bunker einen Blick in den Quellcode von Windows XP werfen. Doch auch die Aussicht auf Einsicht in das am besten gehütete Geheimnis der IT-Welt bringt viele Abgeordnete nicht wieder auf den rechten Weg. Sie haben alle keinen Sinn für die spannende Lektüre und die noch viel spannenderen Verschwiegenheitserklärungen, die auf sie warten.
Da sich also nach diesem Flächenbombardement im Bundestag immer noch Widerstand regte, schob Microsoft den Verbandsvorsitzenden der Software Industrie Deutschland, einen ehemaligen Microsoft-Manager, vor und ließ ihn noch einmal eindringlich vor freier Software warnen. Doch selbst dieser fein inszenierte Aufschrei der gesamten Software-Industrie Deutschlands konnte die hartgesottenen Abgeordneten nicht weichkochen. Wer die Semmelings im Fernsehen gesehen hat, ahnt, zu welchen Maßnahmen ein Unternehmen, das einen öffentlichen Auftrag haben möchte, und tatsächlich Konkurrenten vorfindet, üblicherweise greift. Angesichts der Barreserven von Microsoft, die diejenigen der deutschen Finanzminister der letzten fünf Legislaturperioden weit übersteigen, hat der Software-Gigant noch einige Optionen offen. Unter anderem könnten elegante Koffer mit druckfrischen Euroscheinen gefüllt werden.
Das aber werden wir, die deutschen Steuerzahler, verhindern! Und zwar durch die Aktion ›Bimbes für Linux‹. Nicht nur private Unternehmen sollen durch Schmiergeldzahlungen und Parteispenden ihr Geschäft verbessern können, auch wir, die Steuerzahler Deutschlands, wollen durch geschicktes Schmieren unsere finanzielle Lage verbessern. Da Finanzbeamte jedoch unbestechlich sind, müssen wir uns an diejenigen wenden, die die immensen und teilweise unnötigen Kosten verursachen, die mit unseren Steuergeldern gedeckt werden: die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Jetzt schmieren wir in unserem Interesse die MdBs!
Mit der Aktion ›Bimbes für Linux‹ werden wir die Verschwendung von Steuergeldern im Bundestag durch den weiteren Einsatz von überteuerter, ausländischer und nicht kontrollierbarer Software verhindern. Ich appelliere daher an jeden Steuerzahler, sich mit einem Euro an unserer gemeinsamen Schmiergeldzahlung zu beteiligen. Dieser Euro wird sich für alle auszahlen, denn die Einführung von Linux und Offener Software im Bundestag wird Signalwirkung haben. Überall in Deutschland werden die Verwaltungen nachziehen. Und die durch Offene Software realisierbare Kosteneinsparung in öffentlichen Verwaltungen wird zu nicht unerheblichen Steuersenkungen führen. Für jeden Schmiergeld-Euro, den wir jetzt einsetzen, bekommen wir mindestens zehn Euro Steuererleichterung zurück. Und das auf Dauer!
Selbstverständlich erfolgt unsere Schmiergeldzahlung im Geiste von Open Source. Wir werden nicht nur anders als Helmut Kohl die Quellen offenlegen, sondern das Geld auch öffentlich im Bundestag vor laufenden Fernsehkameras an alle Bundestagsabgeordneten, auch an die Kollegen von der PDS, verteilen. Und natürlich werden wir eine Gegenleistung verlangen: die Einführung von Linux und Offener Software in der Bundestagsverwaltung.
In Kürze werde ich ein Schweizer Sonderkonto eröffnen, auf dass Sie, lieber Leser, Ihre erste Schmiergeldzahlung unter dem Stichwort ›Bimbes für Linux‹ einzahlen können. – Solingen 17. Januar 2002