Global Hangmen Inc.
Die Amerikaner globalisieren den Strafvollzug
Dass italienische Modedesigner ihre Kreationen von indischen oder chinesischen Kinderhänden schneidern lassen, ist eine altbekannte Errungenschaft der Globalisierung. Doch diese wundervolle Errungenschaft des freien Kapitalmarkts erschöpft sich nicht darin, minderjährigen Arbeitssklaven etwas von der Eleganz mediterraner Modeschöpfungen zu vermitteln. Die Globalisierung fördert auch den freien Austausch von Ideen und Meinungen rund um unseren Globus.
So kam George W. Bush kürzlich auf die Idee, den mutmaßlichen Al-Quaida-Terroristen Mohammed Hajdar Sammar einmal ordentlich die Meinung zu sagen: und zwar in einem syrischen Gefängnis. Denn dort kann George W. Bush bzw. einer seiner Abgesandten von der CIA mit Mohammed Hajdar Sammar in aller Ruhe unter vier Augen über Gott und die Welt reden, wohl wissend, dass Sammar Letztere wohl kaum jemals wiedersehen wird. Denn obwohl Sammar deutscher Staatsbürger ist, haben die syrischen Behörden die deutsche Botschaft natürlich nicht über die Verhaftung informiert.
Lebten wir nicht in dem glorreichen Zeitalter der Globalisierung, hätte der amerikanische Präsident seinen Gesprächspartner umständlich in die USA einladen müssen, wo das traute Zwiegespräch zwischen Folterknecht und Folteropfer durch allerlei lästige Personen und Paragrafen gestört worden wäre. Doch seitdem die CIA in aller Welt die örtlichen Geheimdienste aufgekauft und zu einem weltweit agierenden Kommunikationskonzern zusammengeschweißt hat, werden immer mehr Unterhaltungen mit Verhafteten ins preiswerte Ausland verlegt, wo man ungestört ist und die Gesetze investigatorenfreundlicher sind als in den USA.
Die globalisierte Untersuchungshaft ist jedoch bloß ein Anfang. Aus gewöhnlich schlecht informierten Kreisen erfuhr man, dass die Direktoren der chronisch überbelegten US-Gefängnisse bereits bei der CIA vorstellig wurden, um zu prüfen, ob man die Globalisierung nicht auf den gesamten Strafvollzug ausdehnen könne. Schließlich kostet die Unterbringung eines Häftlings in Billighaftländern wie Syrien oder China nur einen Bruchteil von dem, was der amerikanische Steuerzahler für einen Häftling in einem US-Gefängnis berappen muss. Wichtiger Bestandteil des amerikanischen Strafvollzugs ist bekanntlich die Tötung von Häftlingen unter aufwändigen, gesetzlich vorgeschriebenen und streng kontrollierten Bedingungen, die nicht unerhebliche Kosten verursachen. Dies ließe sich in Syrien oder einem anderen ehemaligen Schurkenstaat natürlich ebenfalls wesentlich billiger und sicher auch reizvoller bewerkstelligen. So kannte die chinesische Hochkultur schon in alten Zeiten zahlreiche phantasievolle Arten, die Todesstrafe zu vollziehen. Soll dieser reiche kulturelle Schatz etwa verlorengehen? Nein, die Rettung für dieses Weltkulturerbe ist nah! Das amerikanisch-chinesische Joint-Venture Global Hangmen Inc. plant zurzeit mit der National Geographic Society eine kulturelle Videoreihe über die chinesischen Arten, einem zum Tode Verurteilten die ihm gebührende Strafe zukommen zu lassen. Der amerikanische Steuerzahler wird jubeln, denn die Videoreihe wird sicher sämtliche Ego-Shooter-Spiele in den Schatten stellen. Und die Lizenzgebühren für die opulent inszenierten Hinrichtungen wandern zum größten Teil in die Kassen des amerikanischen Finanzministers, der damit das Raketenschild der USA bezahlen will. Den wesentlich kleineren Teil der Lizenzgebühren erhalten die Chinesen, die damit die Produktion von Raubkopien der Henkervideos finanzieren wollen. So profitieren beide Seite von der Globalisierung des Strafvollzugs. Es ist, als lebten wir in der besten aller Welten.
Morgen im Sudelbuch: Adolf Hitler, Saddam Hussein, Osama bin Laden und Mirolav Klose. Was haben diese vier Herren gemeinsam? Sie alle haben es in amerikanischen Zeitungen bis zum Staatsfeind Nr. 1 gebracht. – Solingen den 21. Juni 2002