Die dünne Patina der Humanität
Die Website, die den Amerikanern das Fürchten lehrt, auf dass sie der Bande im Weißen Haus in ihre größenwahnsinnigen Kriege folgen, heißt ready.gov. Hier erhalten die Bürger des Gottesstaats USA im Stil der 50er Duck-and-Cover-Jahre Tipps, wie sie sich bei einem Terrorangriff mit chemischen, biologischen oder atomaren Waffen verhalten sollen. Bush hat noch keine einzige Bombe auf irakische Zivilisten werfen lassen, da terrorisiert er schon sein eigenes Volk. Das hat er mit Stalin, Hitler und Saddam Hussein gemein.
Aufgescheucht durch das martialische Kriegsgeschrei des Superschurkenstaats kommen nun auch die deutschen Folterknechte aus ihren Löchern wieder hervorgekrochen, in denen sie sich seit 1945 versteckt hielten. Ob sie Geert Mackenroth heißen, Wolfgang Schäuble oder Jörg Schönbohm, sie alle wittern ihre Stunde, die Stunde der kleinen Pinochets.
Überall im Land putzen die Saubermänner die Patina der Humanität fort, die sich erst nach zahllosen Kriegs- und Terrortoten im 20. Jahrhundert langsam über Deutschland gelegt hatte. Die Schäubles, Mackenroths und Schönbohms marschieren nicht nur mit einem unbelasteten Verhältnis zur deutschen Vergangenheit durch die Medien, nein sie lassen auch beim Grundgesetz alle Fünfe gerade sein. Auf einmal ist alles erlaubt: die Folter, der Einsatz der Bundeswehr im Inneren und die Bildung paramilitärischer Heimatschutzvereinigungen.
Angst und Terror nach innen und außen, die beiden Steigbügelhalter für Diktaturen und Pogrome, sie werden diesseits und jenseits des Atlantiks in traulicher deutsch-amerikanischer Freundschaft von Präsident Bush und der CDU hervorgekramt. Offen stellt sich die CDU nun wieder in die Traditionslinie der Kiesingers, Filbingers und anderer NS-Größen, die in den C-Parteien nach dem Zusammenbruch der Hitlerdiktatur Unterschlupf fanden. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und George W. Bush wird nicht müde, seinen neuen Wahlspruch in die Mikros zu lallen: die Welt bin ich. Der neue Sonnenkönig, Weltsicherheitsrat, Weltpolizist, Weltenrichter und Weltenhenker in einer Person, schert sich ebenso wenig um Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien wie der kleine Pinochet in Potsdam oder die islamistischen Gotteskrieger in Mekka.
Osama Bin Laden wollte dem Westen die aufgeklärte, pseudodemokratische Maske herunterreißen. Er hat es, schneller als wir es jemals für möglich gehalten haben, geschafft. – Solingen den 25. Februar 2003