Rasenmäher, Gießkannen und Heckenscheren
Die politische Landschaftspflege und der Kleingartenverein der Politik
Politik ist die Kunst Offenbarungseide durch Metaphern in Ich-AGs umzumünzen, mithin ist jeder Politiker ein Falschmünzer, der nur deshalb straffrei ausgeht, weil man seine Worte nicht auf die Goldwaage legen kann. In Zeiten, wo die Not am größten ist und allen das Wasser bis zum Halse steht, liegt die Metapher am nächsten, weil man sich mit ihr, anders als mit Argumenten, am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann, selbst wenn der Zopf längst abgeschnitten ist. Wir sitzen dann gewöhnlich alle in einem Boot, rücken enger zusammen und schnüren den Gürtel enger, obwohl doch jeder weiß, dass die reichen Ratten das sinkende Schiff zuerst verlassen haben, wir beim Zusammenrücken nur denjenigen Platz machen, die klotzen statt kleckern, und uns die eng gegürtete Wespentaille von denen, die sich die Rosinen aus unserem Kuchen herausgepickt haben, auch noch als Schönheitsideal verkauft wird.
Lobbyisten behaupten immer, sie betrieben politische Landschaftspflege, was auch bloß eine euphemistische Metapher ist. Denn in Wirklichkeit graben sie anderen das Wasser ab und leiten es auf ihren eigenen Acker. Und das kümmerliche Nass, das dann noch übrig bleibt, ist Wasser auf den Mühlen, mit denen sie uns ihre Weisheiten predigen. Anstatt sie als das zu betrachten, was sie sind, nämlich Kollateralschäden der Demokratie, die man am besten mit Schweigen übergeht, werden sie von servilen Diven hofiert und dürfen unter dem Lächeln der moderierenden Salonlöwinnen uns sonntags und donnerstags ein X für ein U vormachen. Da zeigen sie dann mit dem Finger auf die anderen, während drei Finger auf sie zurückweisen.
Früher klagten die, die den Hals nicht voll genug kriegen können, dass Fördergelder mit der Gießkanne verteilt würden, heute versuchen zwei Ministerpräsidenten sich mit einem simplen Rasenmäher einen schmalen und umweltverträglichen Pfad durch den Subventionsdschungel zu bahnen, ohne den politischen Landschaftspflegern allzu sehr ins Handwerk zu pfuschen. Anstatt mit einer Brandrodung das Subventionsgestrüpp ein für alle mal mit Stumpf und Stiel auszureißen, gehen sie vor, als hänge vom Urwald der Subventionen das ökologische Gleichgewicht auf unserem politischen Planeten ab.
Die Metapher des Rasenmähers ist überhaupt sehr verräterisch, denn jeder Hobbygärtner weiß, dass man mit dem Rasenmäher bloß das niedrige Gras stutzt, die höherwachsenden Büsche, Bäume und Blumenbeete damit aber besser nicht zurückschneidet. Das Gras, das der Rasenmäher kurz hält, sind aber wir; die Büsche, Bäume und Blumen dagegen, das sind die reichen Ratten, die oben bereits das sinkende Schiff der Solidarität verlassen haben. Das Rasenmäher-Massaker sei, so Dr. Jekyll und Mr. Hyde, vor allem deshalb notwendig, damit kein einzelner Grashalm aufstehen, Zeter und Mordio schreien und darauf bestehen kann, in den Himmel wachsen zu dürfen. Der Kleingärtner dagegen weiß, dass man den Rasen zwar nicht ins Kraut schießen lassen darf, doch auch der übrige Garten mit Hacke, Schaufel, Schere und allerlei anderen zierlichen und weniger zierlichen Werkzeugen gepflegt werden will.
Rasen mähen kann jeder Trottel, das schaffen selbst deutsche Ministerpräsidenten, aber einen Obstbaum oder Rosenstock fachmännisch zurückschneiden, auf dass er im nächsten Jahr um so reichere Früchte und Blüten trägt, ist eine Kunst, von der heute scheinbar kein Politiker mehr leben will. Wer jedoch bloß noch den Rasen mäht, hat den Bock längst zum Gärtner gemacht, womit wir bei einer ganz anderen Metaphernreihe angekommen wären: dem Hirten, der bloß noch seine Schafe und sich sonst um nichts mehr schert. Doch das ist schon ein anderes Thema. – Solingen den 1. Oktober 2003