Politbondage
Wenn Ziegen und Böcke Gärtner werden
Dass die CDU, die Zipfelmütze der Macht vor den Augen, so schnell kalte Füße kriegen, und die Eigenheimzulage in Frage stellen würde, konnte selbst ich nicht ahnen, der ich die Christlichen stets für ein zynisches Häuflein von Heuchlern gehalten habe. Die CDU muss dermaßen sicher sein, im Spätsommer die vorgezogenen Bundestagswahlen zu gewinnen, dass sie bereits jetzt Überlegungen anstellt, wie sie es vermeiden kann, auf ewig in den zahllosen Haushaltslöchern zu verschwinden, die ihre Blockadepolitik im Bundesrat aufgerissen hat. War die Eigenheimzulage gestern noch eine Reliquie der christdemokratischen Nächstenliebe, steht sie heute schon auf der Streichliste des schattigen Finanzministers der künftigen CDU-Regierung, wer immer dann auch aus dem Schatten heraustreten möge. Standen CDU-Politiker gestern noch feixend hinter Eichel, der mit wachsendem Schwindel in die gähnende Leere seines Haushalts blickte, um ihm durch ihre Vetos im Bundesrat auf die Finger zu hauen, mit denen er sich am bröckelnden Rand eines neu aufgetauchten Haushaltsloch festhielt, so schreien sie heute schon in panischem Schrecken, bald selbst über dem Abgrund zu hängen, nach einer Mehrwehrsteuererhöhung, um die Löcher bloß schnell wieder zuschütten zu können. So schnell verwandeln sich randalierende Ziegen und Böcke in besorgte Gärtner!
Ein Politiker ist in erster Linie dem Wohl seiner Partei verpflichtet, schließlich verhilft sie ihm durch einen sicheren Listenplatz zu üppigen Diäten und noch üppigeren Versorgungsbezügen. Man darf sich also nicht wundern, dass die CDU unseren Staat durch ihre Blockade im Bundesrat gegen die Wand gefahren hat. Die SPD hat früher auch keinerlei Interesse am Wohl des deutschen Volkes gehabt. Die Partei geht immer vor! Natürlich ist das verachtungswürdig und die Mehrheit der Bürger wünscht den Politikern vor allem eins: die Krätze an den Hals. Doch solche Wünsche bleiben fromm, solange wir nicht durch den Einmarsch einer Besatzungsarmee von der Klein- und Kleinststaaterei befreit werden, die seit Jahrzehnten unseren Staat wie ein Bleigewicht immer tiefer in die Krise hineinzieht. Aber vielleicht entdeckt bald jemand Öl und Massenvernichtungswaffen in der Lüneburger Heide, sodass uns die Amis ein zweites Mal aus der selbstgewählten Misere helfen.
Einige Kommentatoren bezeichnen den Wahlsieg der Bimbespartei in NRW als historisch. Das ist wie alle Kommentare im Zeitalter Sabine Christiansens weit übertrieben. Wirklich historisch ist die Chance, dass die vorgezogenen Neuwahlen endlich einmal den Polit-Bondage der gegenseitigen Fesselung von Bundesrat und Bundestag beenden können, falls der Wähler nicht wieder Angst vor der eigenen Courage bekommt und das Spiel weitertreibt. Die CDU kann sich doch nur deshalb in der Wählergunst sonnen, weil die Wähler endlich einmal etwas bewegen wollen. Der Wunsch nach einem starken Mann ist so groß, dass man sogar bereit ist, eine Frau zu wählen, wenn sie nur in der gleichen Partei ist, die gerade die Mehrheit im Bundesrat hat.
Ein Sieg der CDU im Spätsommer wird endlich einmal für klare Mehrheiten in beiden Kammern unseres kranken Staates sorgen. Oder pfeife ich hier im Walde? Wird vielleicht durch einen Sieg Merkels nicht die föderalistische Selbstfesselung, sondern die Bundesregierung abgeschafft. Wird die Kanzlerin Merkel eine bloße Marionette der mächtigen Landesfürsten werden, die den Braten Deutschland dann unter sich und ihre bevorzugten Unternehmen aufteilen werden? Deutschland ist nicht das Vereinigte Königreich und Merkel ist keine zweite Thatcher, die mit einem stählernen Besen den Förderalismus ausputzt! Bis sie sich von den Fäden befreit hat, mit denen sie Stoiber, Koch und die anderen lenken wollen, haben die Wähler bestimmt schon wieder für eine rote Mehrheit im Bundesrat gesorgt. Bondage kann eben schnell zur Sucht werden.