447 Affen wären mir, ehrlich gesagt, lieber
Würde man 447 Affen vor 447 Schreibmaschinen setzen, so hätten diese in 447 Tagen ganz bestimmt ein sinnvolleres Gesetz zusammengetippt, als es die 447 Abgeordneten der Große Koalition jemals schaffen werden.
Mit einer beispiellosen Kaltschnäuzigkeit wird da eine Gesundheitsreform zusammengeschmiert, gegen die sämtliche Lobbygruppen mit und ohne Mietdemonstranten auf die Straße gehen, mit Ausnahme der Patienten, die wie Lämmer in einer Art Schockstarre hoffen, dass der Kelch an ihnen vorübergehen möge, was dieser aber natürlich nicht tun wird. Lämmer kommen zu Ostern lecker auf den Tisch!
Dabei ist allen Affen — Verzeihung allen Abgeordneten — im Bundestag klar, dass dies keine Reform, sondern bloß das Signal für weitere Beitrags- und Steuererhöhungen gewesen ist. Steinbrück bläst schon zum Angriff. Aber immerhin wird dieses Gesetz wenigstens vom Bundestag beschlossen, falls Merkel nicht plötzlich feststellt, dass Gesundheit — wie der Schutz der Zigarettenmafia vor den Nichtrauchern — Ländersache ist. Aber lassen wir uns überraschen. Irgendein Duodezfürst wird bestimmt noch Sand ins Getriebe werfen. Schaden tät‘s nicht. Keine Reform ist immer noch besser als diese Reform.
Überhaupt, gäbe es den Föderalismus nicht, man müsste ihn erfinden. Wie sollten die vielen Provinzpolitiker in den Parteien ihre Profilneurose kurieren, gäbe es die vielen Posten und Pöstchen in den vielen kleinen Bundesländer nicht? Wo sollte Rüttgers den Stoiber spielen? Wie sollte man all die Frauen in der Politik ruhig stellen, wenn nicht als Bildungsministerin? Wie könnte man Gesetze zu Fall bringen, die der nette Herr mit dem dicken Scheck nicht mag, wenn man sie — die Gesetze — nicht in den Mühlen des Föderalismus langsam aber sicher zermahlen könnte? Nur dank der föderalen Grundordnung hält sich die öffentliche Wahrnehmung der Korruption in erträglichen Grenzen! Gäbe es die Länder nicht, hätten Merkel, Müntefering und Zypries öffentlich zugeben müssen, dass sie in Wirklichkeit gegen Rauchverbote und für die krebserregenden Produkte der Zigarettenindustrie sind. Gäbe es nicht das föderale Dauerfeuer aus Bayern gegen alles, was die Berliner Gesundheitspolitiker zusammenschustern, dann müssten diese sich hinstellen und zugeben, dass es ihnen einzig und allein um die Wohlfahrt der Pharmaindustrie, der Ärzte und der Apotheker und nicht um die Gesundheit der Menschen geht. Dank unserer 16 Bundesländer können viele Köche den Brei, den wir auslöffeln müssen, verderben, ohne dass einer von ihnen den Kopf hinhalten muss. Als Nährboden für Lobbyinteressen ist der Förderalismus in Deutschland geradezu perfekt. Doch selbst das beste Umfeld für schlechte Politik lässt sich noch verbessern, wie wir im Zuge der Föderalismusreform erkannt haben. Es ging noch schlimmer und es wurde noch schlimmer.
Da ist es kein Wunder, dass die Mehrheit der Deutschen die EU positiv sieht. Denn ohne die Vorgaben aus Brüssel wäre Deutschland schon längst zur Bananenrepublik herabgesunken. So aber will Brüssel das Energiemonopol, das Generationen von Wirtschaftsministern gemeinsam mit den großen Konzernen geschmiedet haben, aufbrechen, um im Interesse der Verbraucher mehr Wettbewerb durchzusetzen. Da will Brüssel den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen begrenzen! Eine Klimaschutzmaßnahme, die von den Vertretern der deutschen Autoindustrie im Kabinett — allen voran Frau Merkel — vehement bekämpft und im Dschungel der Bundesländer ganz sicher um Jahrzehnte verzögert oder vollständig verwässert wird. Mehr als ein Jahrzehnt hat es gebraucht, bis in Deutschland mit der Schadstoffplakettenverordnung endlich gesetzliche Grundlagen für Fahrverbote bei Feinstaubalarm geschaffen wurden. Leider ist die Verordnung nicht von 447 Affen formuliert worden, sonst enthielte sie vermutlich einen Rest von Vernunft. Die Große Koalition hat es tatsächlich geschafft, mit ihrer Verordnung nicht die Feinstaub verursachenden Dieselstinker mit Fahrverboten zu belegen, sondern die Fahrzeuge, die überhaupt keinen Feinstaub produzieren, nämlich ältere Benziner. So viel Kreativität im Untergraben eines notwendigen Gesetzes brächten 447 Affen niemals auf. Wenn das Lamm, Verzeihung der Leser, nun glaubt, dass die Verordnung damit völlig sinnlos sei, so muss ich widersprechen. Zwar wird der krebserregende Feinstaub in unserer Atemluft durch die Verordnung der Bundesregierung um kein Gramm verringert, aber ältere Benziner mit Fahrverboten zu belegen, fördert den Absatz von Neuwagen. Die deutsche Autoindustrie hat also im Dschungel des Förderalismus ein Gesetz zum Schutz der Gesundheit in eine Verkaufsförderungsaktion für übermotorisierte Neuwagen umgemünzt. Das wäre ohne föderalen Dschungel nie möglich gewesen!
Die EU will Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt, die EU will Rauchverbote und umweltfreundlichere Autos — die Gefahr einer vernünftigen Gesetzgebung ist also noch nicht komplett gebannt. Doch Frau Merkel hat die Gefahr erkannt und will deshalb die europäische Verfassung, das Dümmste was auf europäischer Ebene jemals ausgehandelt wurde, wieder auf die Tagesordnung setzen. Denn wenn Europa mit der Verfassung beschäftigt ist, kann man mit seinen 447 Abgeordneten im deutschen Sumpf ungestört weiter Gesetze für Lobbyisten machen.
Und allen Lämmern sei gesagt. In Deutschland ist und bleibt die nächste Wahl bloß die Tür zur nächsten Schlachtbank!