Küche, Diele, Bad und Hartz-IV-Zimmer
In der Stadt Abdera im alten Griechenland lebten närrische Leute, die mit ihren schnakischen Einfällen ihre Heimatstadt im ganzen klassischen Altertum bekannt machten. In den Wirren der Völkerwanderung gelangten die Abderiten, wie man die Einwohner Abderas nannte, nach Germanien, wo sie die Stadt Schilda gründeten. Irgendwann zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Wiedervereinigung muss diese Stadt zerstört und die Bewohner in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden sein. Und da Abderitismus hoch ansteckend und erblich ist, infizierten die Schildbürger ganz Deutschland mit ihren absurden Einfällen, weshalb unser Land heutzutage auch Absurdistan heißt.
In Absurdistan gibt es viele Errungenschaften, um die uns niemand auf der Welt beneidet, zum Beispiel die Hartz-IV-Zimmer in Sachsen-Anhalt. Ein Hartz-IV-Zimmer ist nun aber nicht, wie man vielleicht glauben mag, ein Zimmer, in dem Peter Hartz übernachten kann, wenn er einmal in Halle, Magdeburg oder XY vorbeikommt und keine andere Herberge findet. Ein Hartz-IV-Zimmer ist ein Zimmer, in dem niemand wohnt, weil es nämlich , wenigstens auf dem Papier nicht existiert. Und es existiert nicht, weil es nach Hartz-IV nicht existieren darf, denn die Wohnung eines Hartz-IV-Empfängers darf bekanntlich eine bestimmte Größe nicht überschreiten, tut sie es trotzdem, muss er entweder auf Hartz-IV verzichten oder umziehen.
Der Brauch ein Hartz-IV-Zimmer einzurichten, kommt aus dem alten Griechenland, wo die Hirten jedes Jahr den Göttern ein neugeborenes Lamm opferten, um weiterhin in den Genuss göttlicher Fürsorge zu kommen. In Sachsen-Anhalt opfern Bewohner von Dreizimmerwohnungen ein Zimmer der gottgleichen Arbeitsagentur, um weiterhin in den Genuss staatlicher Fürsorge in Form von Hartz-IV zu gelangen. Sie werden dabei von ihrem Vermieter, den kommunalen Wohnungsgesellschaften tatkräftig unterstützt. Die Wohnungsgesellschaften stellen die Heizung in einem Zimmer ab, schließen es ab und schicken den Schlüssel an die örtliche Arbeitsagentur. Dadurch wird ein Umzug von Hartz-IV-Empfängern vermieden, der mangels Zweizimmerwohnungen zumeist gar nicht möglich ist. Die Politiker in Sachsen-Anhalt, die Wohnungsgesellschaften und die Vereinigung der Hartz-IV-Empfänger — alle sind von diesem Ritual begeistert.
Hat man gestern noch Hartz-IV dafür kritisiert, dass das Gesetz völlig an der Wirklichkeit vorbeigeht, haben es die Abderiten nun geschafft, in bester Schildbürger-Tradition die Wirklichkeit nach dem Bilde des närrischen Gesetzes zu formen. Den Vorwurf, dass eine solche Idee nur gelernten DDR-Bürgern kommen konnte, muss ich jedoch energisch zurückweisen. Abderitismus ist nicht lernbar, den hat man im Blut. Willkommen in Absurdistan!