Die Strompreiserhöhung im Spiegel der Solinger Presse
Heute erhielten die Solinger einen Brief ihrer Stadtwerke. Ab dem 1.12.2007 wollen die Stadtwerke 2,13 ct mehr für die Kilowattstunde Strom kassieren. (Im Brief schrieben sie werbewirksam 1,79 ct/kWh (netto). Ebenfalls heute berichtete die Solinger Presse pünktlich, aber seltsam handzahm über den tiefen Griff in unsere Geldbörse.
So punktet die Solinger Morgenpost unter dem martialischen Titel ›Die Stimmung kocht‹ mit ihrem typisch investigativen Journalismus und dem praktischen Tipp an die Leser, doch Strom zu sparen und auf die Standby-Taste vom Konkurrenzmedium Fernsehen zu verzichten. Von einem Wechsel des Strom- oder Gasanbieters rät die Morgenpost dagegen ab.
Der kommt für das Solinger Tageblatt wohl auch nicht in Frage, das in der Schlagzeile die drastische Preiserhöhung neckisch herunterspielt: ›Ein Zehner mehr für Energie‹. Ja, wenn das keine Peanuts sind. Und dann folgt ein verständnisvoller Artikel, in dem die Stadtwerke als armes bedauernswertes Opfer erscheinen, die sich für ihre Kunden aufreiben, den Strom aber immer noch von den Monopolisten Eon und RWE kaufen. Das Thema Anbieterwechsel wird deshalb ins Forum verbannt: »Ihre Meinung ist gefragt. Anbieterwechsel: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?« (Die schlechtesten Erfahrungen werden bestimmt bald in der Zeitung veröffentlicht.)
Ich bekam schon beim Lesen des Briefes von den Stadtwerken einen dicken Hals, denn die SWS entblödete sich nicht, den erneuerbaren Energiequellen die Schuld an den Preiserhöhungen zu geben. Man versteht sich also auch noch als Sprachrohr von Eon und RWE, die hauptsächlich mit Atomenergie und Braunkohle Strom erzeugen. Als wenn der durchschnittliche Solinger völlig verblödet wäre und nicht wüsste, dass in den Vorstandsetagen von Eon und RWE nur eins gilt: Abkassieren, abkassieren, abkassieren. Die letzte Hoffnung ist und bleibt die EU, die vielleicht das von deutschen Wirtschaftsministern geschmiedete Monopol zerschlagen wird. Eine sehr sehr kleine Hoffnung, leider.
Aber das Messer in der Tasche klappte mir erst beim Lesen der sanftmütigen Zeitungsartikel auf. Nun gut, kritischer Journalismus ist in den Redaktionen der Solinger Zeitungen immer schon ein Fremdwort gewesen, sodass ich nicht wirklich verwundert war. Doch ein paar Seiten weiter fand sich dann in beiden Zeitungen eine doppelseitige, vermutlich sündhaft teure Anzeige der Solinger Stadtwerke, in der sie – ein Ausbund an Kreativität! – ihre Strom- und Gaspreise auflisten. Die kennt zwar jeder Bürger bereits aus dem netten Anschreiben mit der Preiserhöhung, aber irgendwas muss man ja in der Anzeige schreiben. Ein Dank an die Redaktion für die positive Berichterstattung anlässlich einer weiteren Preiserhöhung wäre zwar ehrlicher, verbietet sich aber, weil dann wohl selbst der dümmste Leser dieser Blättchen einen Zusammenhang zwischen den teuren Anzeigen und der positiven Berichterstattung hergestellt hätte.
Und als hätte ich den Anruf extra fürs Sudelbuch bestellt, rief heute auch noch das Callcenter des Tageblatts bei mir an, um mir zum x-ten Mal die Zeitung eine Woche umsonst in den Briefkasten zu stecken. Umsonst ist gut, denn zahlen würde ich für das Verlautbarungsblatt des städtischen Presseamts bestimmt nicht.