sei stadt, sei wandel, sei berlin
Werbeagenturen brauchen Geld und Berlin ein besseres Image. Was lag also näher, als 10 Millionen aus den Solidarbeiträgen anderer Leute, denn eigenes Geld hat Berlin ja nicht, gegen einen flotten Werbespruch zu tauschen? Und der ist genau so ausgefallen, wie man es bei einer Stadt wie Berlin erwarten durfte.
Wowereits Werbeagentur hat nämlich erkannt, dass grammatisch der Unterschicht verpflichtete Werbesprüche wie »Du bist Auto!«, »Du bist Aldi!« oder »Du bist Deutschland!« die bildungsferne Zielgruppe unserer Hauptstadt besonders gut erreichen. Wer ein wenig nostalgisch an seiner Muttersprache hängt, erwartet nach einem »Du bist« zwar ein Adjektiv, wer aber eine wichtige Botschaft vermitteln möchte, darf darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Ein vollständiger deutscher Hauptsatz gehört nicht mehr zur Allgemeinbildung! Da Wowis Werbeagentur jeden Tag den Privat-TV konsumierenden Durchschnittsdeutschen ansprechen muss, kennt sie die Realität und setzt deshalb in Berlin konsequent auf das einigende Kanak-Deutsch: »sei stadt, sei wandel, sei berlin«. Diese embryonalen, grammatisch noch nicht zu Substantiven, Adjektiven oder Verben ausdifferenzierten Zwei-Wort-Sätze versteht jeder, ob Türke, Wessi oder Ossi. So ein Spruch findet einfach leichter Eingang in die cerebralen Rudimente der bildungsfernen Zielgruppe als ganze deutsche Hauptsätze.
Doch Wowereit will nicht nur Durchschnittsberliner und Türken, was in einigen Stadtteilen dasselbe ist, mit seinem Kanak-Slogan einen, sondern gleich mit London, New York und Paris konkurrieren. Deshalb gibt es den flotten Spruch auch in Englisch: »be berlin!« Berlin soll Vorbild werden. Heute für Deutschland. Morgen für die ganze Welt. Und das ist auch gut so! Denn Berlin ist ein Vorbild für die gelungene Integration von Millionen Ossis und Hunderttausenden von Türken. Da sich kein Türke in ein Ostberliner Viertel traut und umgekehrt kaum ein Ossi jemals die türkischen Stadtteile Berlins aufsucht, leben beide Seiten friedlich nebeneinander. Selbst die Wessis konnten trotz des Mauerfalls ein paar Enklaven verteidigen. Und auf den Schulhöfen verständigt sich das junge Berlin seit Jahren mit der Weltsprache der bundesdeutschen Unterschicht, dem Bezirksgrenzen überschreitenden Kanak. Wenn das kein Vorbild für den Balkan, den Irak und alle Hutsis und Tutsis dieser genozidseligen Welt ist!
Berlin ist nicht nur ein leuchtendes Beispiel für Integration durch eine alle ethnische Grenzen überschreitende Verblödung. Es ist auch eine Landmarke der Verschwendung. Mit einer Kaltschnäuzigkeit, die ein Zumwinkel als Vorstandsvorsitzender erst mühsam erlernen musste, leben die Berliner von der Wiege bis zur Bahre auf Kosten aller anderen Deutschen. Und das ist auch gut so, würde Klaus Wowereit hinzufügen, der es seit Jahren schafft, 100 % der finanziellen Zuwendungen aus dem Solidarpakt für konsumptive Zwecke – also zweckentfremdet – zu verprassen. Zum Beispiel für eine 10 Millionen Euro teure Werbekampagne, in der er uns Berlin als Vorbild präsentiert.
Wenn es darum geht, das schwer erarbeitete Geld anderer Leute zu veruntreuen, bilden SPD und Linke eine Volksfront, eine Front gegen das Volk, die Erich Honecker zu Tränen gerührt hätte. Gott sei dank ist Deutschland groß genug für einen kapitalen Parasiten wie Berlin! Und so lebt der Berliner in Berlin mit 60 Milliarden Euro Schulden wie Gott in Frankreich, solange nicht alle Deutschen dem Beispiel Zumwinkels folgen und ihr Geld vor Wowereit in Sicherheit bringen. Doch anders als Zumwinkel hat Wowereit nichts zu befürchten. Alle Steuerhinterzieher zusammen können zwar nicht annähernd so viel Schaden anrichten wie die professionellen Steuerverschwender in unseren Parlamenten, Staatskanzleien und Rathäusern, aber bei Wowereit wird deshalb kein Staatsanwalt frühmorgens an der Tür klingeln.
Wowereit will jedoch nicht nur die Restdeutschen mit seiner Chuzpe beeindrucken, sondern auch nach innen wirken. »sei stadt, sei wandel, sei berlin«– es ist nicht einfach, die Botschaft der Werbekampagne in eine dem Hochdeutschen verwandtere Form zu bringen, sodass ich mich nicht traue, hier darzulegen, was Wowereit den Berlinern nun eigentlich sagen möchte. Allerdings hat er die Absicht, 60 Milliarden Euro Schulden hin oder her, jedem Berliner einen erläuternden Brief zu schreiben, »wo er selber seine eigene Geschichte erzählen kann«. Wowereit erwartet also tatsächlich, dass jeder Bürger ihm zurückschreibt. Man stelle sich einmal vor, was das für den innerstädtischen Briefverkehr und die Bäume im Umland bedeutete, wenn jeder Berliner Wowereit einen Brief mit seiner Geschichte schickte. Und wer soll das überhaupt lesen? Wowereit? Das wäre zwar eine Lösung für viele Probleme Berlins, denn wer tagein, tagaus Briefe liest, kann sonst keinen Schaden anrichten. Aber letztlich bleibt die Drecksarbeit an irgendwelchen Praktikanten hängen. Doch die Gefahr eines Brieftsunamis im Roten Rathaus ist gering. Denn um einen Brief schreiben zu können, bedarf es der Fähigkeit, die einem Gedanken weitläufig verwandten neokortikalen Erregungszustände in Worte zu fassen. Für die Zielgruppe der Werbekampagne ein Ding der Unmöglichkeit. Das hätten die Kreativen aus Wowereits Werbeagentur ihrem Kunden eigentlich sagen müssen. Aber vielleicht wollte er nicht zuhören. Die Vorstellung, jedem Untertan einen Brief zu schreiben, ist für einen Mann, der so viel zu sagen hat, wohl einfach zu verlockend.
»sei stadt, sei wandel, sei berlin« – »be berlin«: Irgendwie hätte auch der Spruch »Wir können alles. Außer Hochdeutsch.« gut zu Berlin gepasst. Doch für ein Augenzwinkern ist etwas nötig, was den Berlinern einfach fehlt.