Feminisierung der Bildung
Wie die Förderung von Mädchen nach hinten losging.
Manchmal sind Studien sehr erhellend, selbst wenn sie von Bildungsforschern durchgeführt und, wie zu befürchten, von Bildungspolitikern in Auftrag gegeben wurden. So fanden zwei Forscher nun heraus, dass in Deutschland die Naturwissenschaften in den Lehrplänen einen immer geringer werdenden Stellenwert einnehmen. So schreibt heise online:
»Die Probleme fangen bereits in der Grundschule an: Noch zu Beginn der 70er Jahre nahmen in Grundschul-Lesebüchern physikalische, chemische und technische Inhalte einen Anteil von etwa 30 Prozent ein. Ende der 90er Jahre waren dies nur noch 7 Prozent.«
Die im Zuge der Emanzipation geforderte Förderung von Mädchen in der Schule scheint ihr Ziel verfehlt zu haben. Nicht die Mädchen wurden gefördert, sondern feminine Themen und Verhaltensweisen. Anstatt mehr Mädchen für Technik und Naturwissenschaft zu begeistern, wählen bloß weniger Jungs einen naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengang, falls sie aufgrund der systematischen Benachteiligung von Jungen in der Schule überhaupt noch studieren. Die Begeisterung der Jungen für technische Themen wird eher erstickt als gefördert. Und den Mädchen wird durch die Marginalisierung naturwissenschaftlicher Themen signalisiert, dass dieser Bildungszweig auch für sie völlig unwichtig sind.
Die Feminisierung der Bildung beginnt in der Grundschule. Während ich in den 70er Jahren noch von männlichen Lehrern unterrichtet wurde, gibt es heute an den Grundschulen nahezu ausschließlich weibliche Lehrkräfte, die dort ein verhuscht-weibliches Klima erzeugen, dass den meisten Jungs gewaltig auf die Nerven geht. Und am Gymnasium geht es weiter. Technische Themen werden von den sprachlich-musischen Fächern sowie den sozialen Projektwochen an den Rand gedrängt.
Und das letzte Refugium der Jungen, der Informatik-Unterricht, unterfordert sie häufig. So wird in diesem feministischen Text folgende Anekdote kolportiert: Als ein Lehrer einmal genervt ob der mangelnden Arbeitsmoral ausrief, dass jeder, der glaube, all das schon zu kennen, was gerade durchgenommen würde, nach nebenan in den Hobby-Computerraum gehen könne – da erhoben sich alle 17 Jungs und verließen wie ein Mann den Raum. Zurück blieben drei Mädchen, mit denen der Lehrer dann erfolgreich weiterarbeiten konnte. (Was bei diesem Lehrer-Schüler-Verhältnis auch nicht wirklich überrascht.) Ob dieses Beispiel, wie der Text nahelegen will, zeigt, dass die Koedukation gescheitert ist, sei einmal dahingestellt. Viele Jungen scheinen sich jedoch im Männerfach Informatik unterfordert zu fühlen.
Technik und Naturwissenschaften genießen in deutschen Schulen den Status von Orchideenfächern. Trotzdem studieren immer noch relativ viele Studenten ein natur- oder ingenieurwissenschaftliches Studienfach. In Deutschland sind es ein Drittel, in den übrigen Industriestaaten sind es durchschnittlich nur 25 %. Dass wir zu wenige Absolventen in den Fächern haben, liegt vor allem daran, dass überhaupt zu wenig Schulabgänger studieren. Womit sich der Kreislauf der deutschen Bildungsmisere schließt. Die Benachteiligung der Jungen verschärft das Problem. Zwar gehen 47 % der Mädchen aufs Gymnasium, aber bloß 41 % der Jungen. Ein Drittel der Mädchen macht Abitur oder Fachabitur, aber nur ein knappes Viertel der Jungen.
Dass Frau Merkel mit der rührenden Aktion »Haus der kleinen Forscher« den Wissenschaftler im Kita-Kind wecken will, zeigt zwar, dass sie erkannt hat, wie gut sich solche Initiativen in der Presse machen — um die Benachteiligung von Jungen zu beenden, muss jedoch ganz woanders angesetzt werden. Wie sagt der Erziehungsforscher Wolfgang Bergmann so schön: »Wenn heute im Kindergarten beim Ballspielen eine Fensterscheibe zu Bruch geht, wird doch sofort der Morgenkreis einberufen.«