Schavan meldet Vollzug: 18.000 Unterschichtler erfolgreich abgeschreckt
Bildungspolitik ist oberflächlich betrachtet ein komplexes Gebilde. Solange man den Politikern zuhört, wird man nie verstehen, was hier passiert. Man muss ihnen zusehen. Man muss einfach schauen, was sie tun. Dann wird Bildungspolitik plötzlich ganz einfach. Das Ziel, das alle mit Eifer verfolgen, lautet: die ungeliebte Unterschicht muss vom wirtschaftlichen Aufstieg durch Bildung fern gehalten werden! Und dieses Ziel verfolgen unsere Politiker seit Jahrzehnten mit durchschlagendem Erfolg.
Da gibt unsere Bundesbildungsministerin, Annette Schavan, eine Studie in Auftrag, die herausfindet, dass im Jahre 2006 18.000 Abiturienten auf ein Studium verzichtet haben, weil sie von den hohen Studiengebühren abgeschreckt wurden. Die Ministerin hält die Studie zwar unter Verschluss, doch das Wesentliche ist wie immer durchgesickert.
Man fragt sich nun, warum die Ministerin diese Studie überhaupt in Auftrag gegeben hat. Allein schon der gesunde Menschenverstand hätte ihr sagen müssen, dass die Gebühren abschreckend wirken. Oder ist sie, angesichts ihres Ministergehalts, so verblendet, dass sie wirklich der Meinung ist, dass 600 EUR für einen Studenten oder seine Eltern Peanuts sind? Das wäre gut möglich. Ich habe jedoch eine andere Vermutung.
Die Studie wurde in Auftrag gegeben, um zu beweisen, dass die Gebühren Wirkung zeigen. Der eigenen Wählerklientel sollte auf subtile Weise signalisiert werden, dass man mit den Gebühren die ungeliebte Unterschicht tatsächlich wirksam von einem sozialen Aufstieg ausschließen kann. Denn das ist im Grunde das Ziel unserer Bildungspolitik – nicht das ausgesprochene und in Wahlprogrammen schriftlich niedergelegte Ziel, sondern das tatsächlich verfolgte Ziel. Unsere Politiker wollen die Unterschicht von jeder höheren Bildung ausschließen. Die Ausreden, dass es kein Geld für eine bessere Förderung gäbe, sind, seitdem man 500 Milliarden EUR für bankrotte Banken hinblättern kann, nicht mehr glaubhaft.
Und weil dies so ist, hat die Ministerin die Ergebnisse der Studie auch durchsickern lassen. Ihre Wähler werden es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. In Deutschland werden auch künftig nur noch die Wohlhabenden studieren. So war es fast immer. So soll es bleiben.
Die dauernden Reformen, die dramatischen Bildungsgipfel, die 18 emsig vor sich hin reformierenden Kultusministerchen in den Duodezländern – das ist bloß das Hamsterlaufrad, mit dem uns die Bildungspolitiker Bewegung vorgaukeln. Dabei dreht man am Reformrad bloß, um den Stillstand und den Status quo zu wahren.
2006 konnten 18.000 Studenten aus der Unterschicht vom Studium ferngehalten werden. Dabei gab es damals noch nicht einmal überall Studiengebühren. Mittlerweile dürfte die Zahl höher liegen. Wer also glaubt, Bildungspolitik trüge keine Früchte, der sucht bloß auf dem falschen Baum, weil er den Kommunikations-Code der Konservativen nicht versteht. Die Wähler der Christdemokraten wissen jedoch schon aus dem Religionsunterricht, dass man sie an den Taten erkennen soll. Und deshalb hat Schavan nun Vollzug gemeldet.