Öffentlich-rechtliche Websites löschen Content
Auf Druck der Verleger, die mit ihrem Geschäftsmodell aus dem letzten Jahrtausend nicht mehr klar kommen, müssen die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten am 1. Juni 2009 einen Großteil ihres Contents löschen. Beim ZDF fliegt rund 80 % raus.
An die Enteignung, Veruntreuung und Verwahrlosung von gemeinschaftlichem Eigentum ist das deutsche Volk gewöhnt. Nach der Wende wurde beispielsweise das damals Volkseigentum genannte Gemeinschaftseigentum der Bevölkerung in den neuen Ländern auf Kosten aller Steuerzahler an Privatfirmen verschenkt. Seitdem wurde die aus Steuern und Subventionen errichtete Rutschbahn, auf der unser mit Mühe und Not erarbeitetes Eigentum aus unseren Taschen in die Taschen der Konzerne wandert immer breiter und glitschiger, bis sie sich für den Rettungsschirm genannten Milliardenraub eignete, mit dem die große Koalition ihrem Namen endlich gerecht wurde. Wir sind also eine ganze Menge gewohnt.
Diese Leidensfähigkeit des deutschen Volkes ist wohl der Grund dafür, dass eine weitere perfide Enteignung der Öffentlichkeit ganz Stillen vor sich geht und offensichtlich niemanden wirklich interessiert. Am 1. Juni 2009, also heute in vier Tagen, werden die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten bis zu 80 % ihres Internetangebots auf Druck der Verleger, die mit ihrem Geschäftsmodell im 21. Jahrhundert nicht mehr klar kommen, löschen. Das betrifft hauptsächlich Texte, aber auch Fernseh- und Radiosendungen, die wir bisher online hören und sehen konnten.
Ich finde die Chuzpe der Politiker – denn diese Löschung erfolgt natürlich auf Basis eines Staatsvertrags, den diese Internetausdrucker ausgehandelt haben – ich finde die Dreistigkeit jener Clique immer wieder atemberaubend. Der gesamte Content der öffentlich-rechtlichen Internetauftritte wurde von uns bezahlt. Wir haben über die GEZ-Gebühr die Autoren und Redakteure bezahlt, die den Content erstellt haben. Uns gehört das, was die Politiker im Interesse einer kleinen Gruppe von privaten Unternehmern nun löschen lässt.
Die Entrüstung darüber hält sich in der Internetgemeinde in Grenzen, vermutlich weil jeder beim Stichwort Fernsehen an die niveau- und geschmacklosen Shows und Telenovelas denkt, mit denen sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung rund um die Uhr narkotisiert. Dies mag zwar leider auch durch unser Geld entstanden sein, es ist aber allemal wert, dass es zugrunde geht. Doch so einfach sollten wir es uns nicht machen, denn erstens gibt es Ausnahmen und Sendungen, Sendemanuskripte und Hintergrundberichte, auf die ich auch in Zukunft frei zugreifen will und zweitens ändert das nichts an der Tatsache, dass hier auf Druck privater Firmen eine pauschale Zensur betrieben wird.
Leider habe auch ich bisher den Content der Fernsehanstalten als etwas betrachtet, dass wir nicht wirklich vermissen werden. Und jetzt ist es für Proteste wohl zu spät. Wenn die Fernsehanstalten wenigstens auf ihr Copyright verzichten würden, könnte man den Content vor dem Löschen wenigstens noch archivieren und der Öffentlichkeit weiterhin legal zugänglich machen. Aber in dieser Frage stehen die öffentlich-rechtlichen Anstalten Seite an Seite mit den Verlegern.