Kopf oder Zahl – die Rückseite der Eurokrise
Die Qualitätsmedien sagen uns, dass wir, die Steuerzahler, mit unseren Milliarden gerade den Euro retten, also in dem Boot, in dem wir alle sitzen, die Löcher flicken, die von faulen Passagieren aus dem Süden aufgerissen wurden. Im Krieg und in der Bank stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst, deshalb sollten wir genau hinschauen, wer unser Geld am Ende bekommt. Die Griechen jedenfalls bekommen es nicht. Doch dazu später mehr.
Unsere Politiker und die Medien, die von Presseerklärungen der Politiker ablesen, erzählen uns, dass die Staatsschulden in einigen Ländern der Eurozone zu hoch sind, weshalb diese Schuldner nun keine billigen Kredite mehr bekommen. Soweit so gut.
Doch wo Schuldner sind, sind auch Gläubiger. Das ist die Rückseite der Eurokrise. Denn Gläubiger sind Menschen wie du und ich. Kleine Arschlöcher, die maximale Rendite zum geringsten Risiko machen möchten. Kopf oder Zahl: Investoren sind wie Spieler, die am liebsten Münzen würfen, die immer richtig fallen
Unser Finanzberater in der Bank und die Klugscheißer aus dem Wirtschaftsressort erklären uns zwar, dass dies nicht möglich sei, doch diese Binsenweisheit gilt nur für uns, die kleinen Arschlöcher. Die großen Arschlöcher können, wie wir in der letzten Finanzkrise gesehen haben, sehr wohl mit ganz geringem Risiko maximale Rendite erzielen. Wozu hat man die kleinen Arschlöcher, die werden in der Not schon aushelfen.
Europäische Staatsanleihen, um die es hier geht, brachten in den letzten Jahren nur geringe Renditen, weil die Zinsen niedrig waren. Und die Zinsen waren niedrig, weil Europa solvent war. Wer mehr Kasse machen wollte, musste Papiere afrikanischer Despotien oder asiatischer Tigerstaaten kaufen. Je kaputter das Land, um so höher die Zinsen. Leider brechen in afrikanischen Despotien regelmäßig Bürgerkriege aus, in deren Verlauf man sich zwar die Bodenschätze des Landes unter den Nagel reißen kann. Fast immer enden die Kriege jedoch in einer völligen Überschuldung des Landes, sodass ein Schuldenschnitt notwendig wird. Das ist für die Gläubiger natürlich ärgerlich, weil sie dann auf ihr Geld verzichten und mit den Rohstoffen zufrieden sein müssen.
Der beste Schuldner ist einer, der einen Bürgen hat, an den man sich halten kann. Dann kann man den Schuldner und den Bürgen ausnehmen, hat also doppelten Gewinn. Nun würde aber kein Mensch für einen afrikanischen Despoten bürgen. In Afrika ist sich jeder selbst der nächste. Wo also findet man eine Gemeinschaft von Staaten, die wie ein Mann zusammenstehen? In Europa, wo sonst. Daher lohnte es sich bisher ja auch kaum, in europäische Staatsanleihen zu investieren.
Doch halt. Wie in jeder Gemeinschaft, so gibt es auch in Europa Starke und Schwache. An die Starken kommt man schwer heran. Also hält man sich an die Schwachen und streut das Gerücht, die Schwachen seien überschuldet und bald pleite. Da alle Staaten Schulden haben, die sie niemals zurückzahlen können, glaubt jeder gerne, der andere sei noch stärker verschuldet und das Gerücht verbreitet sich in Windeseile. Das treibt schnell die Zinsen für die Staatsanleihen der schwachen Länder in die Höhe.
Etwas schwieriger ist es mit dem Gerücht, dass die Währung in Gefahr ist, wenn ein Euroland pleite ginge. Doch es finden sich immer genügend dumme Politiker und dumme Journalisten, die trotz eines Rekordstandes des Euro diesen Unsinn verbreiten.
Und sobald die Leute Angst um ihr Geld haben, braucht man eigentlich nur noch abwarten und die Hände aufhalten. Die Starken werden den Schwachen helfen, weil sie einen Zusammenbruch der gemeinsamen Währung fürchten; als sei Europa eine afrikanische Despotie ohne funktionierende Industrie und gigantische Exportüberschüsse. Man kann jetzt ohne jedes Risiko hohe Zinsen fordern. Hat man die Europäer erst einmal dazu gebracht, für ein Land zu bürgen, kann man das nächste Land in Angriff nehmen, und das nächste, und das nächste – bis selbst dem dümmsten Europäer auffällt, dass er nach Strich und Faden ausgenommen wird.
Doch es kommt noch besser. Die Starken werden nicht nur für die Schwachen bürgen, sie werden sie auch dazu verdonnern, das Familiensilber zu verscherbeln. Die Regierungen sollen das Vermögen ihrer Bürger nehmen und den großen Arschlöchern in den Rachen schmeißen. Ein Coup, der seit Jahren überall auf der Welt funktioniert. Nun muss man sich das aber nicht so vorstellen, dass die Regierungschefs in die Wohnungen ihrer Bürger einbrechen und alles mitgehen lassen, was sich zu Geld machen lässt. Enteignungen laufen seit Jahren schon nicht mehr so barbarisch ab wie im revolutionären Russland.
Man stiehlt vielmehr Rechtstitel, wie Pensionen oder Renten, also das Versprechen auf künftiges Eigentum, oder das Anrecht auf Sozialhilfe und kostenlose ärztliche Behandlungen. Außerdem stiehlt man dem Bürger nicht seine Datscha, sondern die Staatsdomäne. Die kann er nicht anfassen und also auch nicht festhalten. Für so etwas geht kein Bürger auf die Straße.
Bei den Rechtstiteln ist das anders. Deren Raub empört. Aber nur wenig. Vor allem in Ländern, in denen der Bürger daran gewöhnt ist, betrogen zu werden. Es wird also nichts mit der #germanrevolution.
Für Spekulanten hat sich der Euro als eine Münze entpuppt, die immer richtig fällt. Kopf oder Zahl – die Spekulanten gewinnen immer.