Piratenpartei Berlin: 8,9 Prozent, die alles verändern
Journalisten stehen Schlange, um Piraten zu befragen, und deine Freunde, die dein politisches Engagement bei der Piratenpartei bisher belächelt haben, schauen dich plötzlich mit ganz anderen Augen an. Die Wahl in Berlin, bei der die Piratenpartei sensationelle 8,9 % erzielte, hat alles verändert.
15 Kandidaten standen auf der Landesliste der Berliner Piraten und alle ziehen ins Parlament ein. Das ist ein Triumph, der die politische Landschaft in Deutschland kräftig durcheinander bringt. Journalisten, die bisher kein Wort über die Piratenpartei verloren, stehen nun Schlange für ein Interview mit einem der Berliner Kandidaten oder mit dem Bundesvorsitzenden. Kein Journalist möchte ohne O-Ton eines Piraten dastehen, wenn die Zeitung in Druck oder der Beitrag auf Sendung geht.
Freunde schauen dich anders an
Ich war gestern Abend, als die ersten Ergebnisse feststanden, mit Freunden zusammen, die politisch ganz und gar nicht engagiert sind und mein Engagement für die Piratenpartei immer mit einem kuriosen Lächeln wahrgenommen haben. Als der Nachrichtensprecher aber die 8,9 Prozent verkündete, änderte sich dies schlagartig. Plötzlich bekamen die Wochenenden auf Parteitagen und die Vormittage an den Infotischen eine realistische politische Perspektive. Nun kamen die Fragen. Was wollt ihr? Seid ihr eher links oder eher rechts?
Für die politischen Themen der Piratenpartei bringt dieser Wahlerfolg einen immensen Schub. Die Stimme derjenigen, die gegenüber den Angstpolitikern die Bürgerrechte hochhalten, ist stärker geworden und kann nicht mehr überhört werden. Die Kernthemen der Piraten werden so auch Personen nahegebracht, die sich bisher keine Gedanken über das Internet und die vernetzte Welt gemacht haben.
Diäten für Piraten – daran muss man sich erst einmal gewöhnen
Der gestrige Sonntag wird aber auch die innerparteiliche Arbeit verändern. Denn für 15 Berliner Piraten bedeutet der Wahlsieg auch eine berufliche Veränderung. Sie werden für die nächsten fünf Jahre Berufspolitiker.
Pirat sein, ist seit gestern ein Geschäftsmodell. Bisher war die Gremienarbeit bei den Piraten sehr viel Mühe und Arbeit und wenig Ruhm. Vorstandsmitglieder haben eine koordinierende Funktion. Sie bestimmen nicht die politische Richtung der Piratenpartei. Berufspolitiker und typische Funktionäre gab es bisher nicht an Bord. Das könnte sich nun ändern, denn für Listenkandidaten eröffnet sich jetzt nicht mehr nur eine theoretische Perspektive auf einen Platz im Parlament. Die Chance ist greifbar geworden. Der Kampf um Listenplätze wird in Zukunft ruppiger werden. Denn ein sicherer Listenplatz bedeutet auch eine sichere wirtschaftliche Versorgung für mindestens fünf Jahre.
Programmatische Arbeit im Fokus der Medien
Die programmatische Arbeit wird durch den Berliner Erfolg nicht einfacher, denn nun werden die Parteitage der Piraten im Fokus des Medieninteresses stehen. Schlagzeilen in BILD sind vorprogrammiert.
Die Diskussionen werden zunehmen und sie werden heftiger werden. Denn bisher glaubte niemand daran, dass man das, was man ins Programm schreibt, in naher Zukunft vielleicht einmal umsetzen müsste. Nun aber werden die Fragen nach der Finanzierbarkeit von Forderungen immer drängender werden. Die Piratenpartei ist gestern volljährig geworden.
Kurs 2013
Der Berliner Erfolg wird viele Mitglieder motivieren, sich wieder stärker zu engagieren. Die Partei wird neue Mitglieder bekommen. Das ist gut so! Je mehr Menschen sich einbringen, um so mehr Kompetenz kann in die Programmarbeit fließen. Es gibt viele Felder, auf denen die Piraten sich erst mühsam Kompetenz erarbeiten müssen. In zwei Jahren wird der Bundestag neu gewählt. Bis dahin gilt es, den Erfolg von Berlin auszubauen, das Programm zu konsolidieren und mit stolzen Segeln und frischem Wind in einen spannenden Bundestagswahlkampf zu ziehen.