Wenn die Waffenlobby zweimal klingelt
Am Sonntag bekam ich einen Anruf der Waffenlobby. Der Vorsitzende eines Solinger Sportschützenvereins wollte wissen, welche Meinung die Piratenpartei zum Waffengesetz habe.
Da mir kein Parteitagsbeschluss zum Waffengesetz bekannt war, musste ich den typischen Piraten machen und sagte, dass es dazu noch keine offizielle Position der Piraten gäbe. Natürlich war mein Gesprächspartner mit dieser Antwort nicht zufrieden. So entspann sich ein lebhaftes Aneinandervorbeireden über Amokschützen und unbescholtene Bürger, an dessen Ende ich ihn schließlich einlud, sich doch persönlich in der Piratenpartei zu engagieren und vielleicht einmal zum Stammtisch zu kommen.
Als Direktkandidat der Piratenpartei in Solingen bekomme ich zurzeit viele Anfragen von den unterschiedlichsten Interessensverbänden: von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, vom Sportbund, von der Kreisjägerschaft, vom Landwirtschaftsverband, dem Waldbauernverband, dem Verband der Fischereigenossenschaften, dem Grundbesitzerverband, dem Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden, dem Landesjagdverband, dem Fischereiverband, dem Bundesverband Deutscher Berufsjäger, der Stopp-Bayer-CO-Pipeline-Initiative, dem Rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverband, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, von der Gewerkschaft ver.di, von der Evangelischen Kirche und dem Katholischen Stadtdekanat, um nur einige zu nennen.
Die einen wollen eine Stellungnahme zu ihren Thesen, andere die Beantwortung suggestiv gestellter Fragen und wieder andere belassen es damit, auf ihre Standpunkte hinzuweisen. Während einige dezent darauf hinweisen, dass Hunderte oder Hunderttausende hinter ihnen stehen, begnügen sich die anderen damit, ihr Wirken als schlichtweg unentbehrlich für den Weltenlauf darzustellen.
Die Listenkandidaten erhalten zehnmal mehr Anfragen als ich und kommen mit der Beantwortung von Wahlprüfsteinen kaum noch mit. Sie werden zwar von vielen Piraten und von den Arbeitskreisen darin unterstützt, aber die Liste der unerledigten Anfragen wird kaum kürzer.
Mir ist mittlerweile klar, warum sich Politiker im Laufe ihrer Karriere immer weiter von den Wählern entfernen. Sie haben es nur noch mit Verbandsvertretern (vulgo Lobbyisten) zu tun, von denen sie mit Anfragen überschüttet werden. Als Abgeordnete sind sie überdies dem normalen Wirtschaftsleben entzogen. Sie kommen nicht mehr mit Kollegen, Vorgesetzten, Lieferanten und Kunden zusammen, sondern bloß noch mit anderen Abgeordneten und mit Verbandsvertretern. Und wenn diese Verbandsvertreter ihre Tätigkeit ebenfalls in Vollzeit ausüben – und damit auch nicht mehr mit dem normalen Wirtschaftsleben in Kontakt kommen – dann ist die Blase, das Raumschiff, die politische Monade perfekt.
Dann klüngeln Politiker, die ihren Wählern entfremdet sind, mit Verbandsvertretern, die ihren Mitgliedern entfremdet sind, gemeinsam die Gesetze aus. Wenn das professionelle Politik ist, sollten wir Amateure bleiben!
Für unsere Arbeit vor Ort in Solingen ist mir eine Idee gekommen, wie wir der Macht der Monade entkommen können. Mein Vorschlag: Wir wählen mit Hilfe eines Zufallsgenerators jeden Monat ein Unternehmen aus und versuchen mit dem Geschäftsführer und den Mitarbeitern einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Nur so kommen wir mit der Wirtschaft statt mit den Wirtschaftsverbänden ins Gespräch. Das Gleiche machen wir mit einer zufällig ausgewählten Schule, einem Verein, einer sozialen und einer kulturellen Institution, einer Behörde, einer Polizeistation, einem Arzt, einem Krankenhaus, einem Alten- und Pflegeheim sowie fünf zufällig ausgewählten Bürgern. Ungefilterte Basisdemokratie an der Basis. Und einen Namen für dieses Verfahren habe ich auch schon: Wenn die Piraten zweimal klingeln.