Der eiskalte Urheber
Amerikanische Lobbyverbände unterstützen deutsche Grundlagenforschung.
Bereits seit Mitte letzten Jahres soll das Heidelberger Forschungsinstitut für Intensivmedizin unter Leitung von Prof. Dr. Heiner Sachsenstein Fördergelder in Millionenhöhe von einem Konsortium amerikanischer und europäischer Lobbyverbände erhalten. Nach mehreren vergeblichen Anläufen ist es mir endlich gelungen, Dr. Sachsenstein dazu zu befragen.
- juh
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Herr Prof. Sachsenstein, es gibt Gerüchte, dass Sie Fördergelder von einem amerikanischen Konsortium erhalten. Stimmt das?
- Prof. Sachsenstein
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Wie Sie vielleicht wissen, habe ich in den 90er Jahren während meiner Zeit in den USA, gemeinsam mit anderen Medizinern, die Intensivmedizin revolutioniert. Wir haben damals erstmals mit Hilfe der Langzeit-Narkose schwerstverletzten Patienten das Leben retten können.
- juh
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Sie sprechen vom künstlichen Koma?
- Prof. Sachsenstein
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Dieser Begriff wird von Laien und der Presse gerne benutzt, er ist aber sachlich falsch. Wir versetzen den Patienten mit Hilfe von Medikamenten und einer Absenkung der Körpertemperatur in einen Zustand, in dem das Bewusstsein und das Schmerzempfinden ausgeschaltet sind. Durch die Senkung der Körpertemperatur benötigt das Gehirn außerdem weniger Sauerstoff und wir können so bleibende Schäden vermeiden. Dieses Verfahren hat vielen Menschen das Leben gerettet.
- juh
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Sie und Ihre Kollegen in den USA wurden deshalb ja auch bereits mehrmals für den Medizin-Nobelpreis vorgeschlagen.
- Prof. Sachsenstein
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Dies wäre eine hohe, aber nicht ungerechtfertige Ehrung. Das sage ich in aller Bescheidenheit.
- juh
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Wie ist es denn nun zu der Zusammenarbeit mit der RIAA und den anderen amerikanischen Lobbyverbänden der Unterhaltungsindustrie gekommen?
- Prof. Sachsenstein
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Ich möchte zu den Mitgliedern des Konsortiums keine Angaben machen. Einige Personen in den USA haben meine kyromedizinischen Forschungen aufmerksam verfolgt und möchten diese unterstützen.
- juh
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Was erforschen Sie denn?
- Prof. Sachsenstein
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Wir haben bereits in den 90er Jahren festgestellt, dass eine abgesenkte Körpertemperatur die Stoffwechselvorgänge im Körper und damit auch die Alterungserscheinungen reduziert. Wir haben nach einem Weg gesucht, dieses Phänomen zu nutzen, um das Leben zu verlängern. Und wir hatten Erfolg. Gekühlte Labormäuse leben doppelt so lange wie ihre ungekühlten Artgenossen.
- juh
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Und lässt sich das auf den Menschen übertragen?
- Prof. Sachsenstein
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Selbstverständlich. Wir sind in der Lage, das Leben durch kyromedizinische Methoden beliebig zu verlängern.
- juh
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Das ist doch fantastisch! Wieso benötigen Sie dann Forschungsgelder von der amerikanischen Unterhaltungsindustrie.
- Prof. Sachsenstein
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Sie machen sich vermutlich keine Vorstellung von den Kosten der Kyromedizin. Die Kühlung eines Menschen kostet pro Jahr mehrere Millionen Euro. Und erst wenn wir einen Menschen nach zehn oder zwanzig Jahren wieder auftauen, können wir mit Sicherheit sagen, ob das Verfahren ohne Risiko ist. Für eine solche Versuchsreihe brauchen wir mindestens 50 Probanden, um eine verlässliche Aussage treffen zu können. Aufgrund der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte konnten wir nicht mit einer staatlichen Förderung rechnen.
- juh
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Stellen die Geldgeber denn irgendwelche Bedingungen?
- Prof. Sachsenstein
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Nein, wir sind in unserer Forschung völlig frei. Unsere Geldgeber wollen lediglich die Probanden auswählen.
- juh
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Können Sie da Namen nennen?
- Prof. Sachsenstein
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Die Probanden befinden sich noch in einem Auswahlverfahren. Es handelt sich hauptsächlich um hochbetagte oder schwer kranke Musiker, Schriftsteller und andere Künstler.
- juh
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Warum gerade dieser Personenkreis?
- Prof. Sachsenstein
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Wären Ihnen greise Politiker und senile Banker lieber? Ich finde es eine großartige Sache, dass diese wunderbaren Persönlichkeiten der Menschheit noch länger erhalten bleiben sollen.
- juh
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Wäre es nicht besser, wenn man junge und gesunde Menschen einfrieren würde?
- Prof. Sachsenstein
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Wenn ein ausreichendes Œuvre vorliegt, erwägen unsere Geldgeber auch jüngere und gesündere Künstler einfrieren zu lassen.
- juh
- Haben Sie keine Angst, dass man Ihnen hier in Deutschland solche Forschungen verbietet?
- Prof. Sachsenstein
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Nein, von ethischer Seite erwarte ich keine Schwierigkeiten. Wir verlängern das Leben. Das ist etwas ganz anderes als zum Beispiel die Tötung von lebensfähigen Embryos in der Stammzellenforschung. Unser Projekt ist, wie man so schön sagt, in trockenen Tüchern. Es gibt nur eine Gefahr. der Gesetzgeber die Schutzfristen für Tonaufnahmen noch weiter verlängert, haben unsere Geldgeber aufgrund einer Vertragsklausel das Recht, sich aus der Finan zurückzuziehen.
- juh
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Und was passiert dann mit den eingefrorenen Künstlern?
- Prof. Sachsenstein
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Die werden dann wieder aufgetaut.
- juh
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Herr Prof. Sachsenstein, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.