Prominenz als politischer Faktor
Prominente in der Politik und prominente Politiker – Prominenz als politischer Faktor ist ein alter Hut. Die Piratenpartei sollte sich diesen Hut nicht aufsetzen.
Prominente, die sich für politische Ziel einsetzen, gibt es viele. Prominente Politiker sind einflussreicher als Hinterbänkler. Prominenz ist unbestreitbar ein wichtiger politischer Faktor. Das war so und wird wohl auch so bleiben. Hieran den Medien die Hauptschuld zu geben, liegt nah, ist aber nicht ganz ehrlich, denn wir alle erliegen schnell dem Faktor Prominenz.
Bisher war Prominenz in der Piratenpartei von untergeordneter Bedeutung, ja sogar verpönt. Die Piraten wählten in der Regel Personen in wichtige Ämter, die sich durch ihre politische Arbeit innerhalb der Partei bereits über eine längere Zeit hervorgetan haben. Als dann nach den ersten Erfolgen die Mitgliederschaft stark anstieg, breitete sich sogar eine Art Misstrauen gegen Neulinge aus – vor allem dann, wenn diese, gerade erst an Bord gekommen, sofort für einen Platz auf der Landesliste kandidierten.
Die Medien und das Internet schufen dann jedoch schnell die ersten prominenten Piraten. Warum einzelne Mitglieder der Piratenpartei prominent werden und andere nicht, lässt sich nur schwer erklären. Aber es ist so. Prominenz ist ein schwer kalkulierbares Phänomen und nicht selten ein sehr kurzlebiges.
In letzter Zeit jedoch machten einige Prominente in der Piratenpartei schnell Karriere. So haben es Anke Domscheit und Julia Probst auf Platz 2 bzw. Platz 3 ihrer Landesliste geschafft. Anke Domscheit, die ehemalige Microsoft-Managerin, setzte sich, bevor sie im Mai 2012 den Piraten beitrat, für Open Government und Frauen in Führungspositionen ein. Julia Probst wurde als Lippenleserin bekannt. Sie verrät auf Twitter, was Schweinsteiger & Co. auf dem Spielfeld so alles von sich gaben. Außerdem setzt sie sich für Untertitel im Fernsehen und Barrierefreiheit ein. Beide werden vom Spiegel als prominente Mitglieder der Piratenpartei bezeichnet, die in ihren Tweets die Meinung der gesamten Partei wiedergeben.1
Die Piraten, die auf Aufstellungsversammlungen über die Zusammensetzung ihrer Landesliste entscheiden, kommen kaum noch um diese prominenten Kandidaten herum. Ihre Präsenz in den Medien ist geradezu eine Empfehlung, sie ins Rampenlicht zu stellen. Wer könnte besser geeignet sein, die Piraten in der Öffentlichkeit zu vertreten, als derjenige, der sich selbst bereits erfolgreich in der Öffentlichkeit repräsentiert! Dabei wird leider schnell vergessen, dass die Aufgabe von Abgeordneten nicht darin besteht, prominent zu sein, sondern gute Arbeit zu leisten.
Der Druck auf die Piraten nimmt zu. So verstieg sich Mario Sixtus, ebenfalls ein Social-Web-Prominenter, dazu, den Piraten in Brandenburg Sexismus vorzuwerfen, weil sie Anke Domscheit nicht auf Platz 1, sondern auf den »aussichtslosen« Platz 2 gewählt haben.2 Aber vielleicht denkt der elektrische Reporter ja noch einmal 140 Zeichen lang nach. Vielleicht haben die Piraten zu ihrer Nummer eins einfach mehr Vertrauen. Denn es ist ja politisch nicht unklug, den Verdacht zu hegen, dass eine erfolgreiche Managerin mit ihrer Kandidatur eine persönliche Agenda verfolgt. Das ist aber offensichtlich bei Anke Domscheit nicht der Fall. Platz 2 ist ein überwältigender Vertrauensbeweis für eine Frau, die erst seit ein paar Monaten Mitglied der Piratenpartei ist.
Die Medien und die sozialen Netzwerke verschaffen den Prominenten eine ungeheure Reichweite, sodass persönliche Äußerungen in der Öffentlichkeit sehr viel stärker wahrgenommen werden als das Programm, das über Liquid Feedback und in Arbeitskreisen von vielen sehr viel weniger prominenten Mitgliedern der Piratenpartei formuliert wird. Prominenz schafft einen Resonanzkörper, der wiederum Prominenz produziert. Medien und soziale Netze sind Maschinen, die immer wieder neue Prominente wie Feuerwerksraketen in die Luft schießen und sich dann schnell dem nächsten Prominenten zuwenden, wenn ihr Glanz verloschen ist.
Solange die Piraten ein Gespür dafür behalten, dass Prominenz nicht immer mit Kompetenz und erst recht nicht mit Vertrauenswürdigkeit einhergeht, bleibt dieses Prominentenfeuerwerk ein lästiges Störfeuer an der Peripherie. Es beeinflusst die Außenwahrnehmung der Piraten und schlägt sich als Messgröße in der Sonntagsfrage nieder. Mal katapultiert ein prominentes Mitglied die Piraten nach oben, mal reißt es sie ein paar Prozentpunkte nach unten.
Fatal wird es jedoch, wenn Prominenz die Funktionsweise der Piratenpartei bestimmt. Dann wird man sich gerührt an die Zeit zurück erinnern, als das Problem kaskadierender Delegationen in Lquid Feedback das einzige Prominenzproblem in der Piratenpartei war. Die Gefahr besteht. Nicht nur die Medien auch das soziale Netz sind Prominenz getriebene Diskursmaschinen. Gegen diese Mechanismen kann man sich nur mit Hilfe starker und vitaler, basisdemokratischer Strukturen behaupten. Die Zukunft der Piratenpartei hängt davon ab, ob es gelingt, diese Strukturen aufzubauen.
Literatur
Account, Mario SixtusVerifizierter: Wisst Ihr, was Sexismus ist, #Piraten? Eine intelligente, kompetente und eloquente Frau auf einen chancenlosen Listenplatz zu wählen. In: @sixtus. 2012. Internet: https://twitter.com/sixtus/status/262255368082685952. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014.
Flüchtlinge in Berlin: Polizei verbietet Decken und Iso-Matten. In: Spiegel Online (2012). Internet: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-in-berlin-polizei-verbietet-decken-und-iso-matten-a-863862.html. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014.
Fußnoten
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Flüchtlinge in Berlin: Polizei verbietet Decken und Iso-Matten. In: Spiegel Online (2012). Internet: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-in-berlin-polizei-verbietet-decken-und-iso-matten-a-863862.html. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014. ↩︎
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Account, Mario SixtusVerifizierter: Wisst Ihr, was Sexismus ist, #Piraten? Eine intelligente, kompetente und eloquente Frau auf einen chancenlosen Listenplatz zu wählen. In: @sixtus. 2012. Internet: https://twitter.com/sixtus/status/262255368082685952. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014. ↩︎