Weder Koch noch Kellner

Darum scheiterte die Piratenpartei an der 5-Prozent-Hürde

Landauf, landab fragen sich die Piraten, warum sie bei der Bundestagswahl so schlecht abgeschnitten haben. Die Antworten sind meist ebenso richtig wie trivial. Es gab kein klares Profil, keine Sympathieträger in der ersten Reihe, keine positiven Emotionen, keine Aufbruchstimmung, keinen Zukunftsoptimismus, kein gesundes Selbstbewusstsein. Stattdessen gab es, besonders im letzten Jahr, viel miese Stimmung, offen ausgetragene Machtkämpfe und ein Spitzenpersonal, das, gelinde gesagt, eher zum Weglaufen war. Das ist, wie gesagt, alles richtig und alles furchtbar trivial. Trivial ist es, weil diese Analyse den Wähler als das nimmt, was er ist: als Konsument. Man könnte auch weniger schmeichelhafte Worte finden. Der Wähler ist wie ein Gast im Wirtshaus, der auf die Menükarte guckt und dann seine Wahl trifft. Und diesmal war das Gericht der Piraten wohl nicht verlockend genug.

Doch mit Trivialitäten kommt man nicht weiter. Wenn man wollte, könnte man eine Partei designen, die genau die Wählererwartungen erfüllt. Das wäre eine politisch völlig leere Hülle, die aber alles hat, was zum Erfolg gehört. Ein klares Profil, denn hinter ihrer Fassade gibt es keinen komplexen oder gar widersprüchlichen Inhalt. Ein paar tolle Sympathieträger in der ersten Reihen mit der charakterlichen Komplexität von DSDS-Siegern, also echte Nullen, die sich blendend verkaufen lassen. Und sie hätte natürlich ganz viel Emotion mit Geigenglissandos, dass einem das Herz aufgeht.

Das ist mit Basisdemokratie natürlich nicht machbar. Da hat alles Ecken und Kanten, da kommen auch mal spontan die Trolle an die Macht und die Stimmung schwankt wie in den Wechseljahren.

Die Erfolge nach der Berlin-Wahl halte ich mittlerweile für ein Missverständnis. Der Wähler ist nämlich wie jeder Leidende erlösungsbedürftig. Erlöse uns von dem Bösen! Was immer das Böse auch sein mag. Vor und nach der Berlin-Wahl war der Böse die repräsentative Demokratie, der Parteienstaat, der Filz aus Politik und Wirtschaft. Dank einer misslungenen Hormonkur war in jener Zeit aus dem Untertan ein Wutbürger geworden, der auf alles wütend war, was die repräsentative Demokratie ausmachte. Erlöse mich von den Politikern! Erlöse mich von der Politik! Da kam die Piratenpartei gerade recht. Sie versprach alles anders zu machen. Und der Wähler war begeistert, er wollte erlöst werden und wählte, wie er glaubte, den Erlöser, die Piraten.

Doch was machte der Erlöser nach der Wahl? Er zog ins Parlament ein und übte sich brav in repräsentativer Demokratie. Schwindel! rief da der nicht erlöste Erlösungsbedürftige. Schwindel! Die sind ja auch bloß eine Partei, die eine Fraktion bildet und einen Fraktionsvorsitzenden wählt. Die sind ja auch bloß eine 0815-Fraktion, die Abgeordnete in Ausschüsse entsendet, Anträge stellt und Pressemitteilungen schreibt. Wie langweilig! rief die Journaille. Schwindel! rief der ehemalige Wutbürger, dessen Wut längst verflogen war und einem schweren Kater Platz gemacht hatte. Da wählt man Piraten und alles bleibt beim Alten!

Ein Missverständnis. Die Piraten wollten Politik machen, die Wähler aber erlöst werden. Erlösen kann aber nur der, der schnell genug gekreuzigt wird. Das ist bei Abgeordneten nachweislich so gut wie nie der Fall. Das hätte man auch vorher wissen können. Das hätte auch der Wähler wissen können. Dann hätte er die Piraten niemals gewählt, der Hype wäre an uns vorüber gegangen und wir würden uns nicht fragen, warum die Piraten so schlecht abgeschnitten haben, sondern nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass die Piratenpartei gegenüber 2009 leicht hinzugewonnen hat.

Kommen wir aber wieder zur Speisekarte zurück. Kann man da etwas richten? Könnte man mehr Wähler davon überzeugen, das Piratenmenü zu bestellen, wenn wir einen besseren Koch einstellen oder dem Kellner ein paar höfliche Floskeln beibringen, mit denen er den Gast sanft umschmeichelt? Ja, das könnte man, mit jeder x-beliebigen Partei, nur nicht mit den Piraten.

Denn das ist das zweite große Missverständnis. Die Piraten sind weder Koch, noch Kellner, die Wohlschmeckendes oder Unverdauliches zubereiten und servieren. Wer auf der Speisekarte die Piratenpartei wählt, bekommt gar kein Gericht aufgetischt, sondern eine Einladung in die Küche, um selber zu kochen. Die Piratenpartei ist nämlich ein Kochkurs.

Schließen will ich trivial und mit weisen Worten. Gib dem Gourmet ein raffiniert zubereitetes Gericht, und er ist für ein paar Stunden zufrieden. Zeige ihm, wie man kocht, und er kann jeden Tag die köstlichsten Speisen genießen. Ganz ohne Koch und Kellner.

In dieser Hinsicht haben die Piraten übrigens Wort gehalten.1

Literatur

OpenAntrag - Landtag von Nordrhein-Westfalen. 2012. Internet: http://openantrag.de/nrw. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014.

Fußnoten


  1. OpenAntrag - Landtag von Nordrhein-Westfalen. 2012. Internet: http://openantrag.de/nrw. Zuletzt geprüft am: 22.9.2014. ↩︎