Vier Wochen Mailbox.org

Meine ersten Erfahrungen mit dem neuen E-Mail-Anbieter aus Berlin.

Als Peer Heinlein vor knapp vier Wochen den kostenpflichtigen Open-Xchange-Service Mailbox.org freischaltete, habe ich nicht lange gezögert. Noch während ich die Meldung von dem Startschuss las, habe ich mir ein kostenloses Testkonto eingerichtet. Denn der neue Dienst für mehr Privatsphäre im Internet rannte bei mir offene Türen ein. Seitdem Edward Snowden aufdeckte, mit welcher Dreistigkeit der amerikanische Geheimdienst unsere Kommunikation überwacht und sich dabei auch der Kooperationsbereitschaft der großen Internetfirmen bedient, stelle ich mein Kommunikationsverhalten Schritt für Schritt um.

US-amerikanische Firmen kommen als Dienstleister nicht mehr in Frage, da die USA kein Rechtsstaat mehr sind und der Geheimdienst völlig freie Hand hat, jederzeit auf unsere Daten zuzugreifen. Die NSA hat sich jeder rechtsstaatlichen Kontrolle entzogen. Jedes Unternehmen und jede Organisation in den USA ist der Willkür des Staates im Staate ausgeliefert. Das gilt nebenbei übrigens auch für die zahlreichen Open-Source-Foundations, die sich nach amerikanischem Recht gegründet haben. Open-Source-Communities sollten sich überlegen, ob sie den Sitz ihrer Organisationen nicht in einen Staat verlegen wollen, der mehr Rechtstaatlichkeit gewährleistet. Deutschland ist in dieser Hinsicht sicher kein Musterbeispiel. Vermutlich erlauben irgendwelche Geheimverträge, an deren Existenz vor einigen Jahren nur paranoide Verschwörungstheoretiker geglaubt haben, den Amerikanern in unserem Land zu schalten und zu walten, wie es ihnen gefällt.

Deutschland als Standort eines Dienstleisters ist noch kein Garant für mehr Privatsphäre. Aber immerhin übergibt man der NSA seine Daten nicht auf dem Präsentierteller.

Mailbox.org bietet aber mehr als bloß einen Server in Deutschland. Ich will euch nicht mit technischen Details langweilen. Wer sich schlau machen will, kann sich bei Mailbox.org direkt informieren. Nur drei Dinge seien erwähnt.

  1. Alle Dienste sind nur über verschlüsselte Verbindungen erreichbar. Bei der Verbindung zwischen Browser und Mailbox.org nutzt der Dienst Perfect Forward Secrecy (PFS). Das verhindert, dass zum Beispiel eine staatliche Stelle, die den gesamten verschlüsselten Verkehr mitschneidet, diesen entschlüsseln kann, wenn sie durch Einbruch oder richterlichen Durchsuchungsbeschluss an den Hauptschlüssel gekommen sind.
  2. Ich kann alle E-Mails, die auf den Servern von Mailbox.org liegen, mit meinem privaten GPG-Key verschlüsseln. Das heißt, dass auch die Mails, die mir Honks zusenden, die nicht verschlüsseln, automatisch nachträglich verschlüsselt werden. Wenn also die Staatsanwaltschaft bei Mailbox.org die Server beschlagnahmt, können sie mein Postfach nicht so ohne weiteres lesen.
  3. Optional kann man festlegen, dass einzelne Mails nur über sichere Kanäle verschickt werden, die wenigstens eine SSL/TLS-verschlüsselte Verbindungen anbieten. Das erschwert den Geheimdienstlern, die an den Glasfaserkabeln lauschen, ein wenig die Arbeit. Geeignet ist dies für den E-Mail-Verkehr mit Partnern, die nicht verschlüsseln, aber sensible Daten versenden: also zum Beispiel Online-Shops, Reisebüros etc.

Soviel zu Sicherheit und Privatsphäre. Was aber bietet der Dienst nun für Leistungen? Wer sich mit Open-Xchange auskennt, weiß, was ihn erwartet. Ich kannte das Programm bisher kaum. Ich konnte aber nach kurzer Einarbeitung damit meine Kontakte und meine Termine über alle meine Geräte hinweg synchronisieren. Genau, was ich wollte. Leider lassen sich Aufgaben mit Open-Xchange nicht synchronisieren. Das wäre das Sahnehäubchen.

Update: Über SoGo-Connector kann ich nun auch via CalDav Aufgaben zwischen Thunderbird und Mailbox synchronisieren.

Darüber hinaus kann man Dateien hochladen, teilweise bearbeiten und mit anderen Leuten teilen. Ein nettes Feature, weniger interessant für mich, aber cool für Arbeitsgruppen. Wer Google Docs kennt, weiß, wie praktisch ein gemeinsamer Arbeitsplatz im Netz ist.

Die Web-Oberfläche vom aktuellen Open-Xchange entspricht den Anforderungen, die man heute an Online-Tools stellt: aufgeräumt, bequem, schnell.

Kommen wir zum Service und den AGB. Man kann seinen Vertrag mit Mailbox.org mit kurzer Kündigungsfrist kündigen. Man kann aber auch einfach nur aufhören, zu zahlen, dann wird das Konto nach einer Übergangsfrist automatisch gelöscht. Bei den Bezahloptionen bietet der Dienst die vermutlich größtmögliche Privatsphäre an. Man kann Mailbox.org nicht nur anonym mit Bitcoin bezahlen, sondern auch indem man Bargeld in ein Kuvert steckt und mit der Schneckenpost nach Berlin schickt. Das bedeutet gelebte Datensparsamkeit. Es werden nur die unbedingt notwendigen Daten erhoben. Ich finde das großartig!

Mit dem technischen Service hatte ich bisher noch nicht viel zu tun. Bei den zwei Anfragen, die ich hatte, war die Reaktionszeit gut. Außerdem sitzen dort Leute, die etwas von der Sache verstehen.

Vier Wochen Mailbox.org – ich bin zufrieden.

tl:dr – Mailbox.org ist eine Reaktion auf die hemmungslose Überwachung des Internets. Als Geschäftsidee kommt der Dienst gerade zur richtigen Zeit. Und die Jungs meinen es mit der Kundenorientierung ernst.

Update November 2016

Mit OX Sync für Android klappt die Synchronisation von Kalender, Aufgaben und Adressen wunderbar.