Das Böse
Ich stieß heute zufällig auf die Volksinitiative Grüne Wirtschaft in der Schweiz. In dieser Initiative, die am 25. September 2016 im Rahmen einer Volksabstimmung den Schweizern zur Entscheidung vorgelegt wird, fordern die Initiatoren, den ökologischen Fußabdruck der Schweizer von drei Planeten auf einen Planet zu senken, und zwar bis zum Jahr 2050. Dagegen ist vernünftigerweise nichts einzuwenden, dennoch ist die Ablehnung dieser Initiative so gut wie sicher.
Aber warum ist das so? Niemandem, der noch halbwegs bei Verstand ist, muss man erklären, warum wir unseren ökologischen Fußabdruck sehr schnell und sehr radikal senken müssen. Und da keine großen intellektuellen Fähigkeiten vonnöten sind, um etwas so Augenfälliges zu verstehen, kann es nur eine Erklärung geben, warum die Menschen dies ablehnen. Sie sind schlecht und sie sind böse.
Wer jetzt einwendet, dass dies ein irrationales Urteil sei, dass der Gedankenwelt der Religionen entstammt, der möge mir eine rationalere Erklärung geben.
Es geht hier nicht darum, den inneren Schweinehund zu bekämpfen und Gewohnheiten abzulegen, die in der Masse und Summe die Biosphäre unseres Planeten zerstören und vergiften, es geht hier um eine Grundsatzentscheidung, um das Eingeständnis, dass wir umkehren müssen, und es geht um tätige Reue, die dadurch ausgeübt wird, dass wir ein neues politisches Ziel festschreiben. Umkehr, Reue – ich habe heute leider keine anderen Begriffe zur Verfügung.
Natürlich kann man bei einem solchen Vorhaben fragen, was das denn konkret bedeuten würde, wenn man die Wirtschaft von 3 auf 1 abbremst. Wenn der Reiche von seinen drei Limousinen zwei verliert, was bleibt dann für den Armen, der bloß einen kleinen Gebrauchten fährt? Wenn die soziale Ungerechtigkeit so bleibt wie bisher und alle weniger haben werden, werden dann die, die heute wenig haben, 2050 gar nichts mehr haben? Lehnen also einige diese Initiative aus echter Existenzangst ab? Mag sein. Aber vermutlich schreien die Reichen und Superreichen am lautesten Zeter und Mordio, wenn es darum geht, Verzicht zu üben.
Die ärmeren Schweizer sollten sich einmal die Frage stellen, wer denn zu den Verlierern zählen wird, wenn wir den Verzicht, der unabwendbar ist, nicht frühzeitig und gemeinsam durch selbst gesteckte Zielvorgaben regeln. Der ökologische Fußabdruck der Schweizer wird 2050 so oder so kleiner sein als heute, ganz einfach weil die katastrophalen Folgen unseres Raubbaus nicht mehr abwendbar sind. Und jeder Prozess, der nicht gesteuert wird, verläuft nach eigenen und leider allzu oft chaotischen Regeln ab. Im Chaos aber wird immer der Ärmere am meisten verlieren.
Nein, wer diese Initiative ablehnt, der will, um ein paar Jahre weiter der totalen Völlerei zu frönen, das Chaos, er will den Kampf aller gegen alle um Ressourcen, die immer teurer werden, er will die Klimakatastrophe, das Artensterben und den Tod von Menschen durch Hunger, Bürgerkriege und Naturkatastrophen.
Das ist das Böse.
Und es wird stärker. Jeden Tag. Überall.
Man wird Entschuldigungen finden. Von 3 auf 1 – das sei zu radikal, wird man rufen, da schütte man ja das Kind mit dem Bade aus. Entschuldigungen zu finden, fällt einem intelligenten Menschen nicht schwer.
Ich will nicht mit dem Finger auf die Schweizer zeigen. Hier in Deutschland würde sich eine ebenso große Mehrheit für das Böse entscheiden. Aber die Schweizer haben immerhin die Wahl, die Umkehr gemeinschaftlich zu organisieren. Das ist uns Deutschen verwehrt. Wir dürfen über existenzielle Fragen erst gar nicht abstimmen. Natürlich steht es jedem frei, seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Wer für andere auf etwas verzichten will, kann das gerne machen. Die Reichen werden das Opfer der Guten gerne annehmen. Der persönliche Verzicht hilft dem Gewissen, aber nicht der Welt. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Neubestimmung unserer Lebensweise. Die Schweizer haben dazu jetzt die Gelegenheit.