Der Wendepunkt
Der russische Botschafter wird in der türkischen Hauptstadt Ankara vor laufenden Kameras ermordet. Alle Welt erwartet nun eine diplomatische Krise. Doch das Gegenteil tritt ein. Nur zwei Tage später einigen sich Russland, die Türkei und der Iran auf eine gemeinsame Vermittlungsmission in Syrien. Im Westen bemerkt kaum jemand die Tragweite dieser Nachricht. Man ist mit anderen Dingen beschäftigt, die vermeintlich wichtiger sind. Dabei markiert diese diplomatische Offensive einen Wendepunkt in der Weltpolitik. Die 100-jährige globale Dominanz der USA, die mit dem Eintritt der Amerikaner in den Ersten Weltkrieg begann, ist beendet. Drei autokratische Regime verständigen sich darauf, die verfeindeten Parteien in Syrien an einen Tisch zu bekommen und den bisher blutigsten und grauenvollsten Bürgerkrieg des 21. Jahrhunderts zu beenden. Mit der Türkei sitzen eine sunnitische und mit dem Iran die schiitische Großmacht am Verhandlungstisch. Russland, der langjährige Verbündete der syrischen Diktatoren, spielt den neutralen Vermittler. Von den USA weit und breit keine Spur.
Als der arabische Frühling begann, glaubten die USA noch, das Heft des Handelns in der Hand zu haben. Es schien, als würde sich die arabische Welt demokratisieren und zu natürlichen Verbündeten des Westens werden. Doch die Hoffnungen wurden schnell zerstört. Und der internationale Militäreinsatz in Libyen zeigte erste Schwächen der USA, was damals noch, nach der kriegslüsternen Bush-Ära, als Kriegsmüdigkeit interpretiert wurde. Als der UN-Sicherheitsrat auf Drängen westlicher Staaten eine Flugverbotszone beschloss (Deutschland enthielt sich damals der Stimme), formierte sich ein von Frankreich, später von der NATO geführtes Bündnis, das das Flugverbot militärisch durchsetzte. In den USA wurde heftig über den Militäreinsatz gestritten und so engagierte sich die westliche Großmacht mit einer gewissen Zurückhaltung in Libyen und überließ der NATO die Führung des Militäreinsatzes.
Der Bürgerkrieg in Syrien offenbarte schließlich die Handlungsunfähigkeit des Westens. Die internationalen Reaktionen sind chaotisch und kaum überschaubar. In einer von außen schwer zu durchschauenden Gemengelage verstärkten Russland und die Türkei ihr Engagement in Syrien, scheinen militärisch Fakten zu schaffen und übernehmen nun diplomatisch zusammen mit dem Iran die Führung in diesem Konflikt. Die USA, so sieht es aus, haben keinen Einfluss mehr auf das Geschehen.
Und ausgerechnet jetzt wählen die Amerikaner einen egomanischen und völlig verantwortungslosen Hampelmann zum Präsidenten, den man nur ernst nimmt, weil er die Macht besitzt, die Menschheit auszurotten. Obwohl bei so einem Menschen jede Spekulation über außenpolitische Ziele sinnlos ist, gibt es Anzeichen, dass die USA sich unter seiner Herrschaft international eher weniger engagieren werden. Und wenn es dann der Troika aus Russland, der Türkei und dem Iran gelingen sollte, Syrien zu befrieden, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass die Wende vollzogen und ein Jahrhundert US-amerikanischer Dominanz in der Weltpolitik zu Ende ist.
Was dies bedeutet, lässt sich noch nicht ermessen. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass Diktaturen und autokratische Regime in aller Welt an Einfluss gewinnen und die Demokratien durch populistische Kräfte von innen zerstört werden.