Nachruf auf die Bundesrepublik
1949 – 2017
Gestern verstarb im Alter von 68 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit die Bundesrepublik Deutschland. Wir nehmen Abschied von einem Land, in dem der Ruf »Nie wieder!« über alle Parteigrenzen hinweg zum Fundament einer Demokratie gehörte, die uns von den Alliierten geschenkt wurde. Menschenhass, völkischer Rassismus und Antisemitismus sollten in diesem Land nie wieder in den Parlamenten ihre hässliche Fratze erheben. Dieser Grundkonsens wurde gestern zerbrochen.
Die Bundesrepublik hat es uns nicht immer einfach gemacht. Sie war stets ein wenig langweilig und viel zu sehr auf wirtschaftliche Leistung fixiert. Sie war ein Hort von Spießbürgern, die mit ihrer Vergangenheit nicht fertig wurden, was angesichts dieser Vergangenheit auch kein Wunder war. Sie war ein Land, das Wohlstand für alle wollte, bis ein Parvenü an Macht kam und dem Land das soziale Herz herausriss.
In ihrer Jugend war die Bundesrepublik ein Teilstaat, nichts Vollständiges, nichts Ganzes, ein wunderbares Provisorium, bis die Mauer fiel und Menschen zu uns kamen, die 56 Jahre lang in Diktaturen lebten. Allzu vielen blieb die Demokratie bis heute fremd. Unser Land hat um diese Menschen gekämpft. Milliarden wurden im Osten investiert, um die blühenden Landschaften Realität werden zu lassen, die der Kanzler der Einheit versprochen hatte. Heute ist die Infrastruktur im Osten moderner als im Westen. Aber die Menschen dort sind immer noch so verbittert, wie kurz nach der Einheit, als man ihre Fabriken an Investoren aus dem Westen verschleuderte und sie ihre Wut in Rostock Lichtenhagen und anderswo an Hilflosen ausließen.
Lange galt Deutschland als feste Burg in einem Europa der Krisen. Zuletzt konnten wir vor wirtschaftlicher Stärke kaum noch gehen. Natürlich ist der Reichtum nicht gleichmäßig verteilt. Dass aber rundum Versorgte den Mittellosen aus Syrien die Notunterkunft neideten und sie anzündeten: das soll niemals vergessen werden.
Gestern erlag dieses Land der Hetze von völkischen Rassisten, von Antisemiten und Wehrmachts-Verherrlichern. 13 Prozent aller Wähler haben eine Partei gewählt, die sich selbst in der Tradition der NSDAP sieht, die einen Schlussstrich unter das Kapitel Demokratie ziehen möchte, die gegen Menschen hetzt, die mit nichts am Leib als ihrer Kleidung zu uns geflüchtet sind vor einem Krieg, der grausamer kaum denkbar ist. Diese Partei hat das Widerwärtigste, was Deutschland zu bieten hat, hinter sich versammelt. Und im Osten, natürlich im Osten, in Sachsen wurde sie stärkste Fraktion. Erstmals seit 1945 zieht der braune Ungeist Adolf Hitlers wieder in das deutsche Parlament ein.
Die Trauerfeier findet in vergifteter Atmosphäre während der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages statt. Von Beileidsbekundungen ist abzusehen. Widerstand ist das Gebot der Stunde.