Gemeinsam rocken wir die DSGVO!
Wenn die Panik um die DSGVO für mich eine positive Seite hatte, dann war es die Bestätigung, dass es richtig war, mich in einer Genossenschaft mit anderen zusammenzuschließen, um meine Websites zu betreiben. Gemeinsam macht der Kampf mit dem bürokratischen Monstrum doch deutlich mehr Spaß.
Die historische Dimension
Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist in meiner Erinnerung das erste Gesetz, das so ziemlich jeden in meinem Bekanntenkreis umgetrieben hat. Ich müsste schon bis zur Euro-Einführung zurückgehen, um einen gesetzlichen Einschnitt zu finden, der ähnlich viele Menschen bewegt hat. Natürlich hat so manches Gesetz Schlagzeilen gemacht und einige haben Menschen auf die Straße gebracht, doch selbst dann betraf es nur einen sehr viel begrenzteren Kreis von Menschen.
Wer nicht zu den Personen gehört, die direkt von einem Gesetz betroffen sind, kann zwar eine Meinung oder eine Haltung zu den Regelungen entwickeln, er wird aber immer eine gewisse Distanz behalten. Bei der Datenschutzgrundverordnung ist das anders. Sie betrifft nicht nur alle Menschen insofern sie Verbraucher sind und von dem Gesetz geschützt werden sollen. Jeder, der eine Website im Internet betreibt, ist direkt von den neuen Vorschriften betroffen. Diejenigen, die keine eigene Internetpräsenz haben, sind dafür vielleicht Mitglied in einem Verein mit Website. Und nun werden sie Zeuge, wie der Verein mit seinen winzigen Ressourcen die Bestimmungen dieses bürokratischen Monstrums Wort für Wort genauso erfüllen muss wie die Internet-Giganten Google, Facebook oder Twitter, denen Rechtsabteilungen zur Verfügung stehen, die größer und leistungsfähiger sind als alle Datenschutzbehörden Europas zusammengenommen.
Ein Freund von mir hat seine berufliche Website vom Netz genommen, weil er schlicht und einfach nicht in der Lage war, die Anforderungen der DSGVO bis zum Stichtag zu erfüllen. Dabei bestand seine Website bloß aus statischen Seiten ohne jeden Tracker. Ich kenne einen Verein, der aus Angst vor Abmahnungen überlegt, am heutigen Stichtag seine alte Wordpress-Website vom Netz zu nehmen, weil Zeit, Geld und Sachverstand fehlen, sie technisch und inhaltlich anzupassen. Die seit Monaten geplante neue Website ist aus den gleichen Gründen natürlich nicht rechtzeitig fertig geworden.
Um den Buchstaben der DSGVO zu erfüllen, ist juristischer Sachverstand und viel Zeit oder eben viel Geld für anwaltliche Beratung notwendig. Für die Internetgiganten, die mit unseren Daten Milliarden scheffeln, ist die DSGVO ein Papiertiger. Kleinen Unternehmen, Vereinen, NGOs, Bloggern und den Betreibern dezentraler Netzwerke wirft der europäische Gesetzgeber mit der Verordnung dagegen einen mächtigen Knüppel zwischen die Beine. Und in Deutschland liefern uns die Politiker außerdem noch der Abmahnindustrie aus. Das alles ist vielfach kritisiert worden: zum Beispiel hier, hier, hier und hier.
Was wir, die digital naifs, uns bisher nicht eingestehen wollen, ist die unbequeme Tatsache, dass das Internet für uns inzwischen zu einer lebensfeindlichen Umwelt geworden ist. Staatliche Geheimdienste und kriminelle Organisationen greifen unsere digitale Infrastruktur an. Die großen Internet-Konzerne diktieren uns die technische und gesellschaftliche Entwicklung. Und der Gesetzgeber tut alles, um unsere Internetaktivitäten mit einem bürokratischen Wechselbalg zu ersticken. Gegen diese drei Bedrohungen kann ich mich als Blogger schon lange nicht mehr wehren. Mir fehlt dazu das technische und juristische Wissen sowie jede Art von Marktmacht. Trotzdem hängen viele von uns immer noch einem naiven Individualismus an und glauben, allein zurecht zu kommen. Das Internet ist aber längst nicht mehr der Ort, an dem sich das Individuum frei entfalten kann.
Die persönliche Erfahrung
Ohne meine Genossenschaft, die Hostsharing eG hätte ich große Probleme gehabt, mein Internetangebot an die DSGVO rechtzeitig anzupassen. Denn mit ein paar Musterformulierungen für die Datenschutzerklärung, die man im Datenschutz-Generator abgreift, ist es nicht getan.
So ist man beispielsweise mitverantwortlich dafür, dass die eigenen Dienstleister sich datenschutzkonform verhalten. Wie weit diese Verantwortung geht und wann dafür eine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung notwendig wird, müssen wohl in den nächsten Jahren die Gerichte klären – wie so vieles, was die DSGVO regeln will.
Ich bin jedenfalls heilfroh, dass ich vor einigen Jahren der Hosting-Genossenschaft beigetreten bin. Datenschutz wird dort seit Jahren ernst genommen. In dem Team, das die Datenschutzbestimmungen der Genossenschaft in den letzten Wochen überarbeitet hat, kommt technischer und juristischer Sachverstand zusammen. Mit ihrem Regelwerk hat die Genossenschaft eine Grundlage geschaffen, auf der wir, die einzelnen Mitglieder, unsere eigenen Datenschutzbestimmungen aufbauen konnten. Mir hat die Vorarbeit der Genossenschaft sehr geholfen.
Die Einführung der DSGVO hat der Genossenschaft viel Zeit gekostet – Zeit, die bei unserer dünnen Personaldecke extrem kostbar ist. Wenn mehr Blogger, Vereine und Unternehmen der Hostsharing eG beitreten würden, könnte die Genossenschaft noch sehr viel mehr für ihre Mitglieder tun. Gemeinsam stärker – so ist das tatsächlich bei Genossenschaften! Wenn eine Genossenschaft wächst, wächst auch der gemeinsame Nutzen. – Also, überlegt es euch!