Wenn das jeder täte!
Wenn ich als Kind mein Bonbonpapier einfach auf die Straße geworfen hätte, was ich so gut wie nie tat, wäre meine Mutter zu mir gekommen und hätte mich ermahnt: »Wenn das jeder täte…!«
Ich weiß nicht, ob bereits der Knabe die Weisheit in diesen Worten begriff, oder ob er von sich aus lieber einen Mülleimer suchte. Müll auf der Straße oder schlimmer noch in der Landschaft war mir immer schon zuwider. Meine Phantasie war auch in früher Kindheit so weit ausgeprägt, dass ich mir durchaus vorstellen konnte, wie die Welt aussähe, wenn jeder sein Bonbonpapier auf die Straße fallen lassen würde.
Später wurde mir bewusst, dass Menschen viele Dinge nur deshalb tun, weil es alle tun. Man trägt unvorteilhafte Kleidung, weil sie jeder trägt; man raucht, weil jeder raucht; man kauft ein Auto, weil jeder eins hat. Der Herdentrieb der Menschen führt geradewegs in die Selbstverbrennung.
Heute erkenne ich die ganze Doppelbödigkeit von Mutters Weisheit. Adorno würde Dialektik sagen. Wenn jeder sein Bonbonpapier auf die Straße würfe, fiele meine Untat niemandem auf. In einer Welt voller Schurken werden die meisten Schurken übersehen.
Und so trennen wir unseren Müll und wählen die größten Schurken zu unseren Herrschern. Und diejenigen, die sich auf Straßen festkleben, um die Welt zu retten, ermahnen wir mit den Worten: Wenn das jeder täte!
Ja, wenn das jeder täte, dann wäre Hoffnung.
Wir sollten uns jeden Tag fragen: »Was, wenn das jeder täte?«
Ist die Antwort ein Alptraum, sollten wir es lassen. Gibt sie Hoffnung, dann sollten wir es tun, egal was die Schurken dieser Welt dazu sagen.
Mutters Weisheit ist groß!